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dem Menschen eigentümliche Hindernisse auf dem Wege zum ewigen Leben entgegen, Stumpfheit sei z. B. die Gefahr der Wassersüchtigen, übermäßige Anhängigkeit an das Leben die Versuchung der Schwindsüchtigen etc. Da gelte es, die psychischen und moralischen Einwirkungen der Krankheiten ins Auge fassen und durch die Wunderwirkung des göttlichen Worts die Verstimmungen der Seele des Kranken und die ihr drohenden Versuchungen und Sünden überwinden.

 Dem Schreiber dieses ist aus der Zeit, in welcher er als Vicar an Löhe’s Seite stand, ein Fall in Erinnerung, der ihm in dieser Hinsicht besonders lehrreich erschien und als ein Beispiel von Löhe’s seelsorgerlicher Kunst, bei Behandlung der Kranken auf die Natur der Krankheit und des Kranken einzugehen, hier kurz mitgetheilt werden mag. Der Fall war allerdings wie wenige geeignet, dem Seelsorger Gelegenheit zur Veranstaltung einer eigentlichen Seelencur zu geben.

 Eine Diaconissin, bereits gereift an Alter und am inwendigen Menschen, wurde von der Hand des HErrn ergriffen und auf das Krankenbette niedergelegt. Als sie das Krankenzimmer, das man ihr im Magdalenium anwies, bezogen hatte, ließ sie den Pfarrer kommen und sagte fröhlich zu ihm: „So, nun will ich ganz ein Werk des Amtes werden.“ Eph. 4, 11 ff.[1] Zugleich bat sie den Pfarrer um öfteren Besuch und eingehendere Führung und Behandlung ihrer Seele. Ueber ein halbes Jahr


  1. Löhe faßte – man kann zweifeln, ob mit Recht – die Worte πρὸς τὸν καταρτισμὸν τῶν ἁγίων εἰς ἔργον διακονίας (Eph. 4, 12) so auf, daß er ἔργον διακονίας passivisch von dem an den Einzelnen zu erzielenden Resultat der seelsorgerlichen Thätigkeit verstand. Jeder Christ solle gleichsam eine reife Frucht der Arbeit des h. Amtes, ein ἔργον διακονίας in diesem Sinne werden. Löhe berief sich für diese Auffassung auf Col. 1, 28, wo ja allerdings der Gedanke, den er in Eph. 4, 12 fand, deutlich ausgesprochen ist.
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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/178&oldid=- (Version vom 1.8.2018)