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allenfalls über die Bestimmtheit, mit welcher Löhe in manchen Fällen die Genesung voraussagte und erwarten hieß, ohne den Grund seiner Zuversicht zu nennen. Aus gelegentlichen Äußerungen Löhe’s geht hervor, daß er in solchen Fällen eine Art weissagenden Vorgefühls der Erhörung hatte, welches ihn nur sehr selten einmal täuschte, während er – wie er sich ausdrückte – im entgegengesetzten Fall nur ein tiefes Schweigen in seiner Seele fand. Immer aber flößte sein Gebet voll Kraft und gewaltigen Ernstes den Kranken Ruhe, Gottvertrauen und Mut ein. Sein Zuspruch war nicht wortreich und weitschweifig, nicht vag und allgemein, sondern unter Berücksichtigung der Individualität und der sonstigen persönlichen Verhältnisse des Kranken der Situation angemessen und zum Ziele dringend. Bei chronisch Leidenden, bei welchen öftere, dann aber kürzere Besuche möglich waren, begnügte er sich oft eine Art geistlicher Tagesparole zu geben. Anfängern in der Seelsorge, die leicht in den Fehler verfallen, die Kranken, ohne Rücksicht auf ihre schmerzhaften Zustände, mit Ermahnungen zu überschütten oder ihnen förmliche Predigten zu halten, oft auch unverständig genug ihnen die Aeußerungen ihres Schmerzes verweisen, erzählte er gerne die Geschichte von dem Krankenbesuch, den einst ein Churfürst von Sachsen bei Kaiser Karl V. abstattete. Der Churfürst wollte dem bekanntlich von der Gicht hart geplagten Kaiser Trost zusprechen; der eben von einem schmerzhaften Anfall seines Leidens heimgesuchte Kaiser unterbrach jedoch den weitschweifig werdenden Trostprediger mit den Worten: „Mir hilft am Besten viel Geduld und etwas Krächzen.“

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 Medicinische Kenntnisse hielt Löhe für den Geistlichen und seinen Dienst an Krankenbetten nicht für notwendig, dagegen forderte er Kenntnis der psychischen Einwirkungen der Krankheiten auf den Menschen. Jede Krankheit – sagte er – stelle

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/177&oldid=- (Version vom 1.8.2018)