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die Mühe sparen.“ Andere verbaten sich geradezu eine solche Anzeige, wol aus dem Grund, weil sie, innerlich von ihrem Unrecht selbst überzeugt, durch eine Appellation an die Kirchenbehörde nichts zu erreichen fürchteten oder doch von der leider nicht immer zutreffenden Voraussetzung ausgiengen, daß die Kirchenbehörde selbstverständlich nicht zu dem klagenden Pfarrkind, sondern zu dem angeklagten Pfarrer stehen werde. Wenigstens äußerte sich einmal ein Landmann, der sich bei einer Kirchenstuhlverleihung beeinträchtigt glaubte und von Löhe auf den ihm offen stehenden Weg der Klage bei dem zuständigen Decanat hingewiesen wurde, mit elastischer Grobheit folgendermaßen: „Da müßt’ ich doch ein Narr sein, wenn ich das thäte. Das weiß ich doch, daß keine Krähe der andern ein Auge aushackt.“

 Es herrschte ein großer Ernst in diesen Beichtanmeldungen, der Ernst thatkräftigen kirchlichen Handelns. Sie gestalteten sich zu einer Art öffentlichen Sittengerichts. Löhe selbst stand wie mit dem Flammenschwert des Cherub vor den Pforten des Heiligtums, wachend, daß kein Unwürdiger sich nahe. Man kann sagen: dasjenige Maß von Zuchtübung, welches bei dem gegenwärtigen Zustand der Gemeinden überhaupt erreichbar ist, war in der Gemeinde Neuendettelsau erreicht. Ja eine Reihe von Jahren hindurch, bis ein Inhibitionsbefehl des Kirchenregiments eintraf, war in Neuendettelsau eine Zuchtordnung in Uebung, die dem Vorbild apostolischer Gemeindezucht sich noch mehr näherte, als die oben geschilderte Einrichtung. Die Feststellung jener Zuchtordnung gehört indessen dem Zeitraum an, dessen Darstellung der Inhalt des nächsten Bandes dieser Biographie bringen wird, daher wir hier abbrechen.


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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/175&oldid=- (Version vom 1.8.2018)