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Ich war früherhin Vicar im Fichtelgebirge, wo es bis auf den heutigen Tag gewöhnlich ist, die allgemeine Beichte zu halten und darauf, die Privatabsolution zu sprechen. Die seelsorgerische Erfahrung hat mich gelehrt, daß diese von Vielen gepriesene kirchliche Sitte noch mehr Bedenkliches hat, als die im mittelfränkischen Unterlande gebräuchliche Weise, die allgemeine Beichte zu sprechen und darauf die allgemeine Absolution zu empfangen. Es war mir auf dem Weg der Praxis, klar geworden, daß zu der Privatabsolution die Privatbeichte gehöre. Daher unterließ ich es auch, mich meinen Neudettelsauer Pfarrkindern zur Privatabsolution bereit zu erklären, freute mich aber, daß in der Gemeinde Sinn und Wille für die Absolution in diesem Maße gewachsen war. Einige Monate darauf las ich in einem Generale des kgl. Kirchenregiments von Bayern, daß die Behörde den Gebrauch der Privatbeichte da, wo er entweder eingeführt ist oder gewünscht werde, nicht hindern wollte. Als ich nun den nächsten Abendmahlstag abzukündigen hatte, las ich die Stelle auf der Kanzel vor und setzte dazu: ,Ich weiß schon, wie es bei Euch sein wird, Etliche von Euch werden die Privatbeichte wünschen, die Andern aber werden sie nicht mögen. Damit ich nun beiden Theilen gerecht werde, so will ich mich nächsten Sonnabend um 12 Uhr Mittags in der Kirche einfinden und Privatbeichte hören, und wenn das vorüber ist, wollen wir die Vesper und die allgemeine Beichte halten.‘ Am Sonnabend um 12 Uhr ließ ich in der Kirche nachsehen, ob einige Privatbeichtende vorhanden wären, und siehe, da hieß es, die ganze Kirche sei voll Leute. Da einer meiner Vorfahren den Beichtstuhl hatte zusammenhauen lassen, so hatte ich keinen Beichtstuhl, also gieng ich in die Sakristei der Pfarrkirche und empfieng nun stehend die Beichtlustigen. Der erste, welcher hereintrat, war ein alter großer und starker Mann, welcher sich

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/165&oldid=- (Version vom 1.8.2018)