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Schatze immer Neues hervor. Bei seinem häufigen Predigen war es doch eine Seltenheit, daß bekannte Gedankenreihen sich wiederholten, so daß er es sich selbst zum Vorwurfe machte, daß er nicht genug das Alte und Bekannte wiedergebe.

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 Auf seine Vorbereitung zur Predigt verwendete er so viel Fleiß als ihm die Zeit gestattete. Jahre lang schrieb er seine Predigten vollständig aus und zwar so sauber und schön wie Alles was aus seiner Feder floß. Später entwarf er wenigstens ausführlichere oder kürzere Skizzen. Häufig freilich mußte ihm auch eine Meditation von einigen Minuten genügen. Diese extemporierten Predigten waren oft die schönsten und eindringlichsten. Dennoch verließ er sich, wenn er es irgend vermeiden konnte, nicht auf die Eingebung des Augenblicks. Wie oft saß er, wenn seine Gäste zu Bette gegangen waren, in später Nachtstunde über seinem Texte sinnend. Wie oft findet sich in seinen Notizbüchern der erste Predigtentwurf zwei, drei Mal verändert, bis ihm Ausdruck und Ordnung der Gedanken genügte. Wenn aber durchaus keine Zeit zur Vorbereitung zu erhaschen war, so reichte ihm auch der Gang zur Kirche und die wenigen Minuten während des Gemeindegesangs zur Conception seiner Rede hin. Wie wäre es sonst auch möglich gewesen, daß er – und zwar nicht blos in Festzeiten, zwei, drei, vier Mal des Tages redete, und zwar fast immer frisch, anziehend und anregend. Freilich hätte auch diese wunderbare Gabe der Productivität verarmen müssen, wenn Löhe nicht durch unablässiges Studium seinem Geiste neue Gedankenstoffe zugeführt und sein geistiges Besitztum dadurch immerwährend erweitert und bereichert hätte. Indem er aber selbst fortwährend in die Scheunen seines Geistes einsammelte, blieb er im Stande auszugeben und mitzuteilen. Müßig hat man ihn nie gesehen. War er frei von Amtsgeschäften, so war ein Buch in seiner Hand. Fand sich zur Lectüre unter Tags

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)