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Vollendung seiner Persönlichkeit, die sich in der künstlerisch schönen Form seiner Rede wiederspiegelte. War ja doch auch schon im gewöhnlichen Verkehr seine Ausdrucksweise ungemein und edel. Ungesucht bot sich ihm auch für die Einkleidung seiner Gedanken das Bild. Oder vielmehr seine ganze Weise zu denken war so concret, so intuitiv, so sehr das Gegentheil der fleisch- und blutlosen Abstraction, daß unwillkürlich auch der Ausdruck des Gedankens sich plastisch, greifbar und lebensvoll gestaltete. Nie ermüdete er durch Ausmalen auch des beziehungsreichsten Bildes; einige Andeutungen, flüchtige Pinselstriche genügten ihm. Die ganze Reihe von Vorstellungen, die er durch so ein Bild wie mit einem Schlage erweckte, vor der Seele sich vorüberzuführen: diese Aufgabe überließ er dem Zuhörer. Wie prächtig aufflammende Meteore beleuchteten solche Bilder oft ganze Gedankenreihen mit plötzlicher Klarheit.

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 Welchen Gesammteindruck bekam man von einem Text wie Römer 8, 18–23, wenn er die ihrer Erlösung vom Dienst der Eitelkeit und des vergänglichen Wesens ängstlich entgegenringende Creatur einer Kameelin verglich, die mit langgestrecktem Halse, hervorquellendem Auge und weitgeöffneten Nüstern durch den glühenden Sand der Wüste ihrem Ziel entgegenschnaubt – oder wenn er in einer Predigt über Luc. 21,25–36 die Gemeinde Jesu unter den Schrecken des jüngsten Tages der Königin Esther auf ihrem Gang zu Ahasver verglich, bei welcher Bangigkeit und Beben in dem Augenblicke schwand, als der König voll Huld und Freundlichkeit seines Scepters Spitze gegen sie neigte. Welche gestaltende Kraft der Phantasie offenbarte sich, wenn er einmal in kühnem Bilde den Eindruck des Ev. Matth. 2,13–23 in die Worte zusammendrängte: „Der Strahl der göttlichen Vorsehung – umrankt von dem Epheu des treuen, menschlichen Gehorsams“; oder wenn er in derselben Predigt sagte: „Jeder Lebenslauf ist

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/122&oldid=- (Version vom 1.8.2018)