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bestimmter lautenden Fassung („Der Friede Gottes wird bewahren etc.“) fand er die Gewißheit dieses Gottesfriedens, seine Unabhängigkeit von subjectiven Empfindungen und Gefühlsstörungen angedeutet. – Einen praktisch noch wichtigeren Gebrauch wußte er in einer Predigt am 10. Sonntag nach Trinitatis von der hier unumgänglich nötigen Correctur der lutherischen Uebersetzung von Luc. 19, 42 zu machen, wo übrigens schon die Vulgata das Richtige hat: „O daß doch auch du erkennetest, und zwar an diesem deinem Tage, was zu deinem Frieden dient“. Hier behauptete er, im Gegensatz zu dem Irrtum des Terminismus, daß die Gnadenzeit so lange währe als die Lebenszeit, daß aber innerhalb der Gnadenfrist sich besondere Heimsuchungstage hervorhöben (wie der Tag des Einzugs Jesu in Jerusalem ein solch auserwählter Gnadentag für Jerusalem gewesen sei), durch deren Versäumnis man sich, je öfter man sie ungenützt verstreichen lasse, die Annahme des Heils immer mehr erschwere, daher es gelte, die gegenwärtige Gnadenzeit, das „Heute“ zu benutzen etc.

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 Wenn es so einerseits der Reichtum seiner Schriftauslegung war, worauf der Hauptwert seiner Predigt beruhte, so machte die praktisch-seelsorgerliche Haltung derselben sie auch der Fassungskraft der Gemeinde zugänglich. Aus dem richtig erkannten und tief empfundenen Bedürfnis seiner Hörer heraus erwuchsen seine Predigten. Kein Gebiet des Lebens, kein wichtiges Zeitereignis, kein bemerkenswerter Vorfall in der Gemeinde blieb da unbesprochen. In diesem Sinne waren seine Predigten populär. Wer freilich unter Popularität des Redners eine Herablassung desselben in Gedanken und Gedankenausdruck auf den Bildungsstandpunct des Landmanns versteht, wird sie an Löhe’s Predigten oft vermissen. Er wollte eben lieber anstatt zur Gemeinde herabzusteigen, sie hinaufheben zu seiner Höhe

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/115&oldid=- (Version vom 1.8.2018)