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heraus, daß der Prediger etwas Anderes sei als ein Redner, nämlich ein Bote Gottes, ein Zeuge himmlischer Wahrheit, und daß die Predigt nicht blos ein Reden, sondern ein Handeln mit der Gemeinde sei.

 Sicherlich war es auch nicht allein die Naturbegabung, die ihn zu seiner großen Wirksamkeit als Prediger befähigte. Es war vielmehr die Plerophorie des Glaubens, aus welcher heraus sein Zeugnis quoll, es war die Tiefe und der Reichtum der Schriftauslegung und Schriftanwendung, die bei allem Schwung der Gedanken doch immer praktische Haltung und endlich auch die oft elastische Schönheit der Form seiner Rede, was seinen Predigten ihre ungemeine Anziehungskraft und ihre durchschlagende Wirkung verlieh.

 Man fühlte es Löhe’s Predigten ab, daß er von der Wahrheit des göttlichen Wortes selbst innig durchdrungen war. Darum war er auch im Stande, die göttliche Wahrheit überzeugend darzustellen. Daß die Bibel das Wort Gottes sei, davon waren auch diejenigen seiner Gemeindeglieder überzeugt, deren Leben ganz und gar der Bibel nicht gemäß war.

 Vor Allem war Löhe ein biblischer Prediger. Nicht geistreiche Gedanken über den Text wollte er geben, sondern einfach die göttlichen Gedanken aus dem Text ans Licht stellen. Wenn andere Prediger häufig sich begnügen, des Textes Oberfläche zu schürfen, grub er als ein kundiger Bergmann in die Tiefe, um aus den Schachten der heiligen Schrift das Gold der göttlichen Wahrheit zu Tage zu fördern. Dabei war seine Auslegung so einfach und einleuchtend, daß er nicht menschliche Zuthat zu dem Text gegeben, sondern nur die Decken von den Augen und das Hüllen von dem Text weggethan zu haben schien, wodurch andere gehindert wurden zu sehen was er sah. Der exegetische Gehalt war es, der seinen Predigten vor Allem

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)