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der viel um sie war – und bei aller Hingebung an ihren Mann hatte sie doch auch noch Liebe für ihre Umgebung. Man schloß sich leicht an sie an.“ Für Löhe war es nach dem Heimgang des Weibes seiner Jugend eine wehmüthig-süße Beschäftigung, sich in das Studium ihres Charakters und ihrer geistigen Eigentümlichkeit zu vertiefen. Nach und nach erst, meint er, sei ihm das klare Verständnis dafür aufgegangen. Im Jahre 1848 schreibt er am Todestag Helenens in sein Tagebuch: „Der Charakter der seligen Helene ist mir in diesem Jahre klarer geworden. Unmittelbarkeit, Ursprünglichkeit, Lauterkeit des Benehmens, das ists – und ich wüßte nicht, wer ihr darin gliche.“ Aehnlich schreibt er in dem im Jahre 1867 in zweiter, vermehrter Auflage erschienenen Lebenslauf einer heiligen Magd Gottes etc. S. 26: „Einfalt, die von innen nach außen mühelos lebt, in heiliger Unmittelbarkeit und Ursprünglichkeit sich in jeder Lage frei und kindlich bewegt, für jede Lage das freie, aufrichtige, innere Verhalten findet – das war Helenens Theil und schönste Gabe. Sie konnte drum ihre Unwissenheit zeigen, ungeschickte Fragen bringen, die geringste Schülerin sein, ohne daß sie einmal linkisch sich benahm. Wie wenn sie voll Weisheit und Erkenntnis redete, nahm man ihr Fragen und kindlich Forschen auf. Oft aber fand sie kraft der Einfalt das schönste Wort zum schönsten Sinn und redete, ohne daß sie es merkte, holdselige Worte der Wahrheit, welche ihr die Herzen gewannen.“ Mit dieser Einfalt und Lauterkeit ihres Charakters verband Helene Löhe eine außerordentliche Heiterkeit des Temperaments. Sie konnte heiter sein oft bis zum Mutwillen. Ihr Frohsinn stimmte auch Löhe’s zu schwerem Ernste neigendes Wesen zu einer Heiterkeit, die ihn oft selbst in Verwunderung setzte. Sie konnte lachen, daß es schallte, aber niemand durfte dieses Lachen als unanständig tadeln, denn es war der Ton eines reinen,

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/11&oldid=- (Version vom 1.8.2018)