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Ueberwinder muthiger und stärker als die andern alle gewesen sei; im Gegentheil, Er kämpft für sie alle, unerschütterlich ist Sein Wille, Entschluß und Muth, unüberwindlich Seine Kraft. Aller Märtyrer gesammtes Leiden ist gering gegen das Seine; sie leiden alle in Seiner Kraft, also nicht in eigner; Er aber leidet ganz allein in der Seinigen, und wenn Er auch unbegreiflicherweise im heiligen Geiste Sich Gott geopfert hat, wie geschrieben steht, also am Kreuze wie am Jordan Einfluß des heiligen Geistes hatte, so verstehen wir das doch nicht, und die wunderbare Bemerkung hebt nicht die Gewisheit auf, daß Er, Er allein und nicht der heilige Geist und nicht der Vater der leidende Erlöser der Welt ist, von dem es geschrieben steht, daß Er für alle den Tod schmeckte, ja schmeckte. In der rohen Todesverachtung menschlicher Helden liegt eine Zuflucht ihrer innern Todesfurcht und Verzweiflung; die rohen Worte des Adoni-Beseck: „Also muß man des Todes Bitterkeit vertreiben“, nämlich mit trotzigem Muth, sind fern von dem Helden, der sich in der Zeit der Leiden weder durch einen leiblichen, noch durch einen geistlichen Schlaftrunk betäuben und die Aufgabe kleiner machen läßt, als Er sie hat; schmecken, schmecken, den Tod schmecken, ihn mit allen Fasern Seines Leibes, mit allen Kräften Seiner Seele faßen und inne werden, das will Er, um ihn gründlich, völlig und von Herzen zu überwinden. Eben deshalb glaube ich auch, daß in dem zweiten Worte vom Kreuz nicht bloß ein Zeugnis Seiner Unschuld, Seiner ungebrochenen Macht über die Seelen und Seiner Treue, sondern auch des bitteren Abschiedes liegt, welchen Er von den Seinen nimmt, um dann nach Auflösung aller irdischen Banden sich desto völliger der Aufgabe