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JEsu. So handelt niemand, so spricht niemand, der einen Bann oder Stachel im Gewißen hat.

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 Doch mag man immer sagen, daß man gerade in diesen Worten JEsu weniger Seine Unschuld und sittliche Reinheit, als anderes suchen und finden müße, und wir wollen auch nichts behauptet haben, als nur das eine, daß dem sehenden Auge auch bei diesem Worte, die Herrlichkeit und Unschuld JEsu erscheinen kann. Dagegen aber dürfen wir bereits in höherem Maße betonen und in dem Worte JEsu ausgesprochen finden ein starkes Zeugnis von der ungebrochenen Macht des Gekreuzigten auf die Seinen und über sie. Oder ist es nicht wahr, daß Er mit dem Worte: „Weib, siehe, das ist dein Sohn,“ über Seine Mutter und deren noch übriges Leben schaltet? Und ist es nicht ebenso wahr, daß er mit den Worten: „Siehe, das ist deine Mutter,“ über den Jünger Johannes eine Macht ausübt, die sich auf deßen Kraft und Zeit und alle seine Verhältnisse ausdehnt? Das Testament vom Kreuze konnte unnöthig und hinderlich erscheinen. Die Mutter Maria war ja nach JEsu Tode nicht ganz und gar verlaßen: stand doch Maria Cleophä, ihre Schwester, mit ihr theilnehmend am Kreuze; war doch ihre andere Schwester Salome gleichfalls unter den Frauen, die nicht ferne waren. Da hätte sich ja Maria, die Mutter JEsu, zu ihren Schwestern halten können, anstatt zu Johannes, der, wenn auch selbst ihr Schwestersohn und also naher Verwandter, dennoch ein thatkräftiger Mann und ein Apostel war, der durch Annahme einer Mutter in seinem Beruf und Laufe gehindert werden konnte. Ebenso übernahm ja auch Johannes nicht bloß den Namen eines Sohnes, sondern die Pflichten und die Aufopferung eines Sohnes,