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bereits ihr Anführer Judas vom Taumel frei geworden und zur Besinnung gekommen, aber dann auch in die schaudernde Tiefe der Verzweiflung dahingefallen und an seinen Ort gefahren war. Von diesem Menschen sagt der HErr nicht, daß er aus Unwißenheit gesündigt habe; es muß ein Unterschied sein zwischen ihm und den Juden, so gräulich sich die Thäter neben dem Verräther ausnehmen, denn der HErr sagt von ihm, es wäre ihm beßer gewesen, er wäre nie geboren. Seine höhere Erkenntnis und apostolische Erfahrung hätte ihn vor der Anfechtung und der Besitzung des Teufels behüten können.


3.

 Wie sieht es unter dem Kreuze auf Golgatha so finster aus! Was für ein Tag ist das für Israel, daß seinesgleichen keiner gewesen ist! Da ist es, wie manchmal an den Abhängen der Berge Nebel und finstere Wolken hängen. Aber wie manchmal über den Nebel und über den Bergen sonnige heitere Höhen unter einem reinen Himmel ragen, so ist am Kreuze, im Gekreuzigten und über Ihm lichte vollkommene Klarheit, selige Ruhe und ein sicherer Gang zum völligen Gelingen alles Angefangenen. Bei jedem andern Gekreuzigten würde der Vorgang selbst und das Leiden eine solche Aufregung verursacht haben, daß die Seele nur mit ihrem Leid und Tumulte beschäftigt und für nichts anderes fähig gewesen wäre. Hier ist es völlig anders. Je völliger die Seele den Leib durchdringt und seiner Herr ist, je mehr fühlt sie alles mit, was dem Leibe begegnet, je empfänglicher ist sie für all sein Wohl und sein Wehe. Darum muß wol die Seele JEsu,