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und lebte das, was Luthers großer Catechismus in der Auslegung des vierten Gebotes von der Herrlichkeit geringer Dienste sagt, die im Glauben geschehen. Sie war also in Wahrheit eine Heilige in Magdgestalt. Dabei gieng es ihr nicht wie den gewöhnlichen Mägden, die keine Zeit haben für etwas anderes, als den Dienst ihrer Herrschaften; sie hatte harten Dienst, dennoch aber zuweilen ein Stündchen, da sie sich frei zu machen wußte. Das brachte sie dann in dem Siechenhause zu, das sich unfern des Schloßes Wellenburg befand, und pflegte dortselbst die Elenden, besonders die Aussätzigen jener Zeit. Sie brachte ihnen was sie sich vom Munde ersparte, wusch und reinigte sie, verband ihre Wunden, behandelte sie wie ihren Heiland selbst und erquickte sie mit dem Zuspruch des göttlichen Wortes. Bei einer so auffallend hervortretenden Tugend konnte es nicht anders sein, es mußte ihr nach dem Worte des Apostels gehen: „Alle die gottselig leben wollen, müßen Verfolgung leiden.“ Ihre Dienstgenoßen zu Wellenburg verläumdeten sie bei der Herrschaft, als entwende sie aus der Küche, was möglich, um es den Kranken zu bringen. Was sie nach der erfinderischen Gabe ihrer Liebe aus allen Orten und Enden unschuldig und redlich

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Wilhelm Löhe: Rosen-Monate heiliger Frauen. S. G. Liesching, Stuttgart 1860, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Rosen-Monate_heiliger_Frauen.pdf/231&oldid=- (Version vom 9.10.2016)