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dann! Je mehr ihr Leib abstirbt, desto mehr wacht ihr Gewissen auf, – längstvergangene, vergessene Sünden, so viel der Welt gegebenes Ärgernis, so viel Verführung, damit die Unschuld untergraben wurde, kommen ins Andenken, legen sich wie Leichensteine aufs Herz, und unter ihnen ist das Grab, – der Satan zeigt von fern den Lohn derer, welche widersprochen haben, ruft ihnen statt Trostworte Sprüche zu: „Der Stein, den du verworfen, ist zum Eckstein geworden, du wirst nun auf ihn fallen und zerschellen – er wird auf dich fallen und dich zermalmen!“ Der Sterbende kann nicht mehr Buße thun vor Angst des Todes – nicht mehr an Christi Blut glauben vor Schrecken des Gerichts; – wüste und leer wird ihm die Welt, nichts Irdisches erfreut ihn mehr, der Himmel ist ehern, – gehört wird nur noch in der Tiefe des Herzens die Stimme des Gewissens. Er sieht sich dem Stein des Falles nahe; er stößt sterbend an – er fällt in die Tiefe mit Wimmern und Seufzen, Gottes Fluch drückt ihn nieder. Er hat Christo widersprochen. Christus ist ihm zum Fall geworden. Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen! –

 Und wenn einst der Tag des HErrn kommt, wenn die seit ihrem Tode fort und fort in Jammer der Seele Versinkenden und Fallenden am jüngsten Tage nur darum im Falle aufgehalten und auf den Plan der Erde gestellt werden, damit sie mit einem Leibe bekleidet werden, der in ihrem ewigen Fall eine neue Ursache der Qual wird, – des Wurm der Verwesung nicht stirbt, – wenn sie mit diesem Leibe nur immer tiefer ins Leichenfeuer sinken, das nicht erlischt: wie dann, Brüder? Welch einen Accent, welch einen Ton und Nachdruck wird es dann haben, wenn die Verfluchten singen: „ER ist gesetzt zu einem Fall vieler in Israel!“?

 Menschenkinder! Lasset uns zusammenschaudern! Es heißt: „für viele in Israel!“ das ist, für viele unter dem Volke Gottes, also für viele Christen. Es hilft also nichts, daß man in der Christenheit geboren sei und lebe! An vielen Christen wird es geschehen, daß der HErr zum Fall wird!