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 Große Herren thun, was sie wollen, aber sie haben doch einen Herrn über sich, der ihnen oft unbekannt ist, – der alle ihre Herzen lenket wie Wasserbäche, daß sie ihm zur Verherrlichung Seines Namens, zur Aufrichtung Seines Reiches dienen müssen. Der Kaiser Augustus wird wohl Gründe gehabt haben, warum er die Schatzung anbefahl, – aber den höchsten Grund, warum Gott die Schatzung haben wollte, – daß nämlich die Weissagung erfüllt und der Heiland in der Stadt seines Stammvaters David geboren würde, den wußte er nicht. – Der Kaiser Augustus war ein Heide, aber Gott ist HErr über die Heiden – gutwillig oder widerstrebend müssen auch sie Gottes Willen thun.

 Weiter als das oben Erzählte steht nichts vom Kaiser Augustus in unserm Text. Er muß dem Heiland in die Stadt, den Stall, die Krippe helfen, wo ER geboren werden sollte; aber er selbst hat keinen Teil an Ihm, – zu ihm kommt kein Engel und verkündet ihm große Freude, weiset ihn auf den Heiland, der auch für ihn geboren sei, – er hört keinen Lobgesang der Heerscharen, – ihm sagt kein Hirte von dem Neugeborenen. Er ist eben ein großer Herr dieser Welt, – er schläft in seinem Palast zu Rom, oder wacht er, und sein Gewissen peinigt ihn für seine Sünden, für welche er keinen Heiland weiß? Es heißt hier: „Die Hungrigen füllet der HErr mit Gütern, aber die Reichen lässet ER leer“ – es geht an ihm in Erfüllung das Wort St. Pauli 1. Kor. 1, 26: „Nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen.“

 Viel glücklicher seid ihr, meine Teuren, – unter euch giebt es keine Gewaltigen und Edlen nach dem Fleisch, aber ihr seid versammelt an Weihnachten, ihr wisset, was an Weihnachten geschehen ist, ihr singet, betet und höret die Predigt, welche wenig Gewaltige und Edle mögen. Denn es ist leider wahr, daß der Mensch oft, je vornehmer, edler, gewaltiger er ist, desto weniger von dem demütigen JEsus und Seiner Knechtsgestalt in der Krippe und am Kreuze wissen will. – Die armen Reichen und Großen, welche den ewigen Reichtum und die himmlische Größe von sich stoßen!