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Da seht ihr, daß Heilsbegierde zu Gottes Wort gehört, dann gelingt’s!

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 Dann gelingt’s, das sieht man am Kämmerer. Da der den Diakon Philippus so heilsbegierig gefragt hatte: „Ich bitte dich, von wem redet der Prophet solches, von ihm selbst oder von jemand anders?“ that Philippus seinen Mund auf und fing von jener Schrift Jesaias an und predigte ihm das Evangelium von JEsu. Siehe da, zuerst las er in der Bibel von Christo, dann wird ihm von Christo gepredigt. Bibel und Predigt, das muß zusammengehen. Aus der Bibel zur Predigt, von der Predigt in die Bibel, so habe ich es euch schon mehrere Male gesagt. Habe ich euch nicht gebeten: „Leset, da ich gewöhnlich über das Evangelium predige, leset zuvor das Evangelium durch, und nach der Predigt leset es wieder, damit ihr etwas behaltet und erfahret, was geschrieben ist: „Selig ist, wer Gottes Wort höret und bewahret“? Wer von euch hat’s gethan? Nicht wahr, vielleicht nicht einer unter euch. Lernet vom Kämmerer ein Besseres. Der war ganz Ohr auf die Predigt des Philippus, denn er kannte den Text und wollte ihn gern wissen, das hilft schon menschlicherweise zum Fassen der Predigt viel. Lernet ferner hier, was eine rechte Predigt sein soll! Eine rechte Predigt ist nicht ein Kunstwerk, ein Bild, von Menschenhänden bereitet, sondern eine rechte Predigt ist Auslegung, da nimmt man einen Text, den legt man aus. Man legt nicht kürzer aus, als der Text verlangt, und nicht länger, sondern gerade so lang, als die Aufmerksamkeit dessen langt, der ins Verständnis des Textes kommen will, und wenn das Bedürfnis gestillt ist, dann ist die Predigt aus und Amen. Man predigt also nicht für die Faulen, die in die Kirche gehen, um dagewesen zu sein, auch nicht für die Schläfer, denen keine Predigt zu lang wird, wenn sie genug schlafen können, sondern für die Lebendigen, die nach Leben dürsten, und für die, welche Gott ersehen hat, sie anzureden: „Wache auf, der du schläfst!“ Man nimmt aber auch zur Predigt nicht einen jeden Text, der einem in die Hände kommt, auch nicht einen, der sonst keinem in die Hände kommt, sondern einen solchen, der geradezu aufs Heil