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die Schätze, welche, weil sie himmlisch sind, hier noch nicht mit Händen gegriffen werden können! – O Vater, o Sohn, o Geist, o heiliger, dreieiniger Gott, suche uns heim, daß wir Deinen Frieden können nehmen und behalten!


V.

 „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht!“ so schließt unser Text. Wie wunderlich, liebe Brüder! Zuvor die sicherste Verheißung des Friedens – und unmittelbar darauf Erwähnung des Schreckens und der Furcht! Denn wahrlich, wenn nicht Furcht und Schrecken dem Frieden der Christen nachstellten, so bedürfte es dieser Vermahnung nicht. Dort im Himmelreich, wo weder Furcht noch Schrecken mehr sein wird, sondern sichere Stille, dort wird es nicht mehr heißen: „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht!“ Warum heißt es denn also hier so? O die Antwort liegt nahe! Wem Christus Seinen Frieden schenkt, wem ER ein ewiges Glück verheißt, dem schenkt der Satan, der Tod, die Welt, das Fleisch, die Sünde inwendig Schrecken, auswendig Furcht. Solange einer ein Weltkind ist, fühlt er von seinem Fleisch nichts Schlimmes, das Fleisch ist sein bester Freund; aber so wie einer zu JEsu Frieden gekommen ist, so wie er in diesem Frieden bleiben will, so setzt ihm das Fleisch zu, er merkt seine Regungen, sie kommen über ihn mit einer Macht, die er früher nicht gekannt hat. Er fürchtet sich und sein Geist erschrickt, und eine Stimme spricht: „Ist das der Friede JEsu, der sichere, bleibende?“ – Wenn einer ein Weltkind ist und keinen Frieden Gottes hat, sondern nur des Teufels Frieden, den Stand der Sicherheit, da weiß er nichts Leichteres, als seine Sünden, die sind ihm zum Lachen, eine Seifenblase ist ihm wichtiger, als die Sünden. Aber wenn einer den Frieden Christi ergreifen will, da bäumen sich seine Sünden, da erscheinen sie ihm wie Gespenster, da heißt es: „Mensch, wie kannst du den Frieden JEsu haben, der du so viel Sünden geboren hast!“ Da rauschen und brausen die Sünden und wollen über ihm zusammenschlagen, er erschrickt wie Petrus, da er auf dem Meere ging, und fürchtet sich und