Seite:Wilhelm Löhe - Predigten für die festliche Hälfte des Kirchenjahres.pdf/382

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ihr nennt es groß, wenn jemand viele und große Thaten thut. Was aber ist größer, als wenn der Hochmut gebeugt wird und stolze Seelen klein gemacht werden? Das aber thut der Glaube. Man hat wohl gesehen, daß Glück und Unglück, Gewalt und Klugheit, ja auch der Tod an stolzen Seelen vorüberging, ohne daß sie dieselben zu demütigen vermochten. Der Glaube aber thut es allemal sicher, er zeigt den Seelen JEsu heilige Größe, da sinken sie in den Staub. Du nennst es groß, wenn ein ungebeugter Stolzer die Last des Lebens trägt, allen Schmerz und jedes Leid sich selbst gleichbleibend aushält; ist aber nicht der Glaube noch größer, der den Stolz beugt, klein macht und dennoch stark, alles Ungemach zu tragen? Oder hast du nie gesehen, daß gläubige Seelen Lämmern gleich dem Lamm Gottes nachgingen, geduldig in Kreuz und Trübsal und still im Tod. Wie klein ist der Glaube und wie groß! Du sagst, es sei viel, wenn einer das Glück der Welt genieße, ohne ein Tyrann zu werden, und es ist wahr! Aber wo hast du ein Weltkind gesehen, das jemals nicht Schaden an seiner Seele nahm, wenn es die Welt gewann? Das kann nur der Glaube. Der Glaube weigert sich, das Glück der Welt anzunehmen, er ist zufrieden, arm zu sein in dieser Zeit, wie Christus. Wenn aber ja der Wille Gottes ihm darin nachgeht, wenn’s ihm zugedacht wird, kein irdisches Kreuz zu tragen, dann achtet er das für sein schwerstes Kreuz, daß er nicht wie andere Kinder geschlagen wird vom lieben Vater. Aber desto wachsamer ist er, desto mehr geht er dem himmlischen Gute nach, wohl wissend, daß alles vergeht und nichts Vergängliches glücklich macht, daß die Seligen im Himmel arm sind an Erdengütern! Ach, er betet und überwindet in der schweren Prüfung des Glücks!

.

 Wie groß ist der Glaube, der da versteht im Glück zu leben, ohne glücklich zu sein im Glauben, weil er allein glücklich ist in Hoffnung des ewigen Lebens! Das ist der Glaube, er ist im Tode selbst getrost! Er sieht im Sterben das Bittere wohl, er leidet und ringt, aber er weiß, daß Christus überwunden hat und daß es nur scheint, als stürben wir. Er läßt sich keine Todesbäche irren, er weiß, daß, wer