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das Beten nichts helfe, sondern das Arbeiten, trotzdem daß geschrieben steht: „Wenn der HErr nicht das Haus baut, so bauen die Bauleute umsonst.“ Das lag allein daran, daß sie nicht im Namen JEsu gebetet haben, sondern auf ihre eigene Tugend oder auf ihr eigenes Elend hin Gott zur Barmherzigkeit bewegen wollten. Aber unsere eigene Tugend, wie unser eigenes Elend rührt Gott nicht, es sei denn, daß JEsus Christus Sein Vaterherz durch Seine Tugend und Sein Verdienst, durch Sein Kreuzeselend und Seine Todesangst, für uns ausgestanden, wieder zu uns neige. Was wir also beten, so wollen wir uns nicht auf unsere Gerechtigkeit oder auf unser Elend hin zu Gott nahen, sondern Ihm in unserem Gebete JEsum Christum nennen, als den, auf dessen Fürsprache wir uns verlassen, als den, der mit Seinem eigenen Blute ins Allerheiligste des Himmels eingegangen ist und für uns bittet. Das rührt das Herz des himmlischen Vaters. Ja, wer alles im Namen des Sohnes thut, unter Seiner Anrufung, der ist Gott so angenehm, daß er ihn selbst schon höret, ehe er sich noch auf den Hohenpriester JEsus beruft. Denn der Hohepriester JEsus hat auch uns erkauft zu Priestern vor Gott und Seinem Vater, hat uns und allen Seinen Gläubigen priesterliche Rechte erworben, nämlich zu Ihm hintreten zu dürfen und Ihn um das zu bitten, was unser Herz nach Seinem Wort, aus Seinem reichen Schatze für uns oder unsre Brüder begehrt. ER hat uns den Zugang geöffnet zu solcher Gnade, daß wir frei zu Ihm treten und sprechen dürfen: „Abba, lieber Vater,“ und Vater unser, daß wir ohne weitere Vermittlung, als die einmal auf Golgatha geschehene, gleich zu Ihm, dem Dreieinigen beten dürfen, wie die lieben Kinder ihren lieben Vater bitten.

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 Indes können nicht alle Menschen im Namen JEsu und so zutrauensvoll zu dem Vater bitten. Es seufzet wohl alle Kreatur mehr oder minder, ja, es steht geschrieben, daß die jungen Raben zu Gott schreien. Warum sollte man also behaupten, daß nicht auch unbekehrte Menschen, Heiden, Juden, Türken, Maulchristen und Werkchristen zu Gott rufen könnten? Ja, wir geben sogar zu, daß sie in Dingen des irdischen