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 Geduld, Geduld, was schiltst du mich um meiner Jugend willen und kommst aus deiner männlichen Ruhe in jungen Zorn? Ich sage dir, meine Stimme hat mehr recht als deine! ich sage dir, meine Stimme ist die Stimme deines Gewissens! meine Stimme ist ähnlich jener, die dich einst richten wird! ich sage dir, du verdrehst die Schrift nach der Bosheit deines Herzens, der Geiz legt dir sie aus, der ist dein heiliger Geist. Du sollst deine Hausgenossen versorgen, aber meinest du, das heiße so viel: du sollst ihnen Lebensunterhalt auf viele Jahre schaffen, du sollst ihnen mit Bedrückung der Armen, unter unbarmherzigen, schmutzigen Knausern ein Erbgut sammeln? Du sollst ihnen ihr täglich Brot reichen, ist die Meinung des Apostels, von Sorgen für die Zukunft ist nicht die Rede. Wenn deine Meinung die richtige wäre, so wäre Christus ein Sünder, denn ER hat Seiner Mutter, die ihm zu versorgen oblag, nichts zusammengespart! Wenn meine Meinung richtig ist, bleibt Christus heilig: ER gab Seinen Jüngern alle Tage das Nötige und am Ende fragte ER: „Habt ihr auch je Mangel gehabt?“ und sie antworteten fröhlich: „HErr, nie keinen!“ ER gab Seiner Mutter lebenslang und verschaffte ihr in der Jugend schon Gold, Weihrauch und Myrrhen, und da er arm starb, vermachte er ihr einen Sohn, welcher ihr wieder die tägliche Notdurft reichte, aber gespart wie du hat ER nicht; denn ER war zum Sparen zu barmherzig. Und dann, wenn du nur deine Hausgenossen versorgtest! Du thust es aber nicht! Ist denn deine alte Mutter, dein grauer Vater nicht auch dein Hausgenosse, oder hast du sie gar aus deinem Hause verstoßen? Und was giebst du ihnen denn? Ist dir nicht alles zu viel, was du auf sie wenden sollst? Wartest du nicht auf ihr Ende? Bekommt dein Knecht, ja dein Ochs nicht reichlicher seine Speise, als deine alte Mutter? Nur, weil du vom Knecht und Ochsen wieder Dienst empfängest, von deiner Mutter aber, die dich mit Schmerz getragen, geboren, gezogen, genähret, geliebet – von ihr empfängst du nichts, die ist dir überflüssig, elendester aller Hausväter, du verfluchtes Kind vor Gott!

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 Du fragst, ob du über Vermögen geben sollst, und redest,