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fürs Beste hält.“ Damit will auch ich mein Wünschen angefangen und beschlossen haben – beschlossen vor euren Ohren, was in meinem Herzen für euch lebt; das dauert nicht so kurz wie ein Neujahrswunsch, der ohnehin gar oft aus falscher Absicht hervorgeht, das wird alle Tage vor Gott offenbar. Der HErr erhöre mein Gebet für euch.

 Das Beste aber, was euch nach Gottes Rat und Gnade werden kann und soll, ist eben die Beschneidung, von welcher ich heute zu euch reden will. Ich feiere damit mit der heiligen Kirche das Fest der Beschneidung Christi und – zugleich das neue Jahr.




I.

 Die Beschneidung ist Abraham und seinem Samen gegeben – sie ist ein Bundeszeichen zwischen Gott und Seinem auserwählten Volke Israel. An seiner Beschneidung sollte jeder Israelit alle Tage erkennen, daß er mit seinem Volke aus allen Völkern aus- und abgesondert – und Gott geweiht sei; daß er zu Gott in einem besonders nahen Verhältnis vor allen Völkern stehe, daß Gott ihm besonders nahe sei. Unbeschnitten und fremd von den Testamenten der Verheißung sein ist im Alten Testament ein und dasselbe Ding gewesen. Da nun unser HErr und Heiland nach dem Fleische Abrahams Same ward, so hat ER sich in Seiner Niedrigkeit, um alle Gerechtigkeit zu erfüllen, auch beschneiden lassen – und auch das Blut, welches hierbei floß, ist aus Liebe zu Seinem Volke vergossen. – Ihr werdet mich freilich fragen, ob ich denn meine, daß alle Menschen leiblich beschnitten werden müßten, weil ich als den besten Neujahrswunsch für euch und für alle Menschen die Beschneidung nenne; allein es versteht sich von selbst, daß ich, in den Fußstapfen St. Pauli wandelnd und lehrend, eine äußere und leibliche Ceremonie nicht zurückwünsche, welche doch der HErr nach dem Wort Seines heiligen Apostels als Schattenwerk aufgehoben hat. Ich wünsche euch nicht die Beschneidung eures Fleisches, sondern die Beschneidung eures Herzens, welche ja durch die leibliche Beschneidung nur