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haben und den Versuchungen des Mannes unterliegen. Wo ist es gerathen von einem Menschen zu sagen: Der bedarf keiner Ermahnungen mehr? Darum vermahnt David seinen Sohn; er vermahnt ihn allein, wenn er vor ihm steht als Vater, er vermahnt ihn aber auch vor dem ganzen Volk mit aller Kraft und Liebe und zwar so, daß er ihm in die Tiefen der Seele greift. „Erkenne den Gott deines Vaters und diene Ihm mit ganzem Herzen und mit williger Seele.“ Man muß dem HErrn dienen nicht mit zwiegespaltnem Willen, sondern von ganzem Herzen, mit allen Kräften nach Einem Ziele streben und allewege nach Seinem Sinn fragen. Wenn ein Sohn begabt und gerathen ist wie Salomo, kann man ihm etwas Schöneres sagen? Dazu begründet David seine Ermahnung trefflich. Er sagt: „Der HErr erforscht alle Herzen und verstehet aller Gedanken Dichten.“ Es ist also nicht zu spaßen; getheiltes Herz darf vor Dem nicht sein, den keine Heuchelei täuscht, vor dem das Innere des Menschen ist wie ein aufgeschlagen Buch. Es ist das die Lehre eines Vaters, der seinen Sohn tief gründen will in der Erkenntniß, daß alles Thun des Menschen nur dann einen Werth hat und wohlgeräth, wenn es aus einem aufrichtigen, Gott ganz ergebenem Herzen kommt. „Wirst du Ihn suchen – sagt er – so wirst du Ihn finden, wirst du Ihn aber verlassen, so wird ER dich verwerfen ewiglich.“ Ernste Worte für Salomo! Der alte König hat tiefe Blicke in das Herz seines Sohnes gethan; er weiß was von des Menschen Willen abhängt. Verdienen und erringen kann der Mensch mit seinem Willen den Himmel nicht, aber verlieren kann er durch seinen Willen sein Heil und seiner Seelen Seligkeit. Was der alte König da seinem Sohne sagt, ist eine Weisung für uns alle, die wir keine Salomos, sondern arme Würmer sind, eine Weisung, daß auch wir, wenn wir

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Wilhelm Löhe: David und Salomo. C. Bertelsmann, Gütersloh 1895, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_David_und_Salomo.pdf/81&oldid=- (Version vom 11.9.2016)