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Jahre vergehen, bis David ruhen darf, er muß Krieg führen fast bis an sein Ende. Das ist der erste Grund. Und der zweite Grund? „Ich habe bisher in keinem Cedernhaus gewohnt und es auch nicht verlangt. Israel ist bisher eine wandernde und viel beunruhigte Heerde gewesen und ich – sagt der HErr – bin auch bisher gewandert mit meinem wandernden Volke; die Zeiten, da ich ruhen soll, sind noch nicht gekommen.“ Es steht dieser zweite Grund in innigster Verbindung mit dem ersten. Dabei klingt aber doch durch diese Worte Gottes etwas hindurch, was einen fast schauerlich groß anweht. Wer ist denn der, der dem David den Gedanken ins Herz gegeben hat, dem HErrn eine Stätte zu bauen, die seiner Ruhe würdig wäre; wer hat ihm denn den feinen Sinn für die Ausgestaltung der heiligen Liturgie gegeben, ihn zum Sang- und Baumeister ohne Gleichen gemacht? Der HErr, sein Gott. Und nun klingt fast schauerlich kalt dem David die Antwort entgegen: „Ich habe nie in einem Cedernhause gewohnt und nie darnach verlangt.“ Der Allgenugsame, der dem David in den Sinn gab, daß er unzufrieden war mit der nothdürftigen Gotteswohnung, ist selbst damit zufrieden. Ihm geschieht nichts mit einem äußeren Bau; ER trägt alle Dinge in Seiner Hand, ER überragt alles; niemand kann Ihn fassen. Wenn ER sich dem Menschen naht, so wird ER klein, um in der Kleinheit seine Größe zu offenbaren. Aber den Menschen schauert vor einer Größe, die nichts bedarf. Es liegt in der That für David etwas Schauerliches, Demüthigendes, in die Kleinheit Herabdrückendes in der Rede, die Gott gegen ihn führt. Aber es liegt darin auch eine weise und heilige Absicht Gottes. Wer sich Gott hat nahen dürfen, dem muß, damit er sich recht nahe, die Ferne, der große Abstand gezeigt werden zwischen der armen Creatur und dem ewigen Schöpfer.

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Wilhelm Löhe: David und Salomo. C. Bertelsmann, Gütersloh 1895, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_David_und_Salomo.pdf/55&oldid=- (Version vom 11.9.2016)