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2.

 Unter dem Haus (V. 3), das die Königin besucht hat, wird wol nicht der Tempel, sondern der Palast des Königs zu verstehen sein. Hätte sie den Tempel d. h. den Vorhof des Tempels betreten, so würde sie wol auch Opfer gebracht haben; es war ja in dem Weihegebet Salomos ausdrücklich auch der Fall vorgesehen, daß Heiden Jehovah Opfer darbringen würden. Davon ist aber in der Erzählung keine Rede. Was sie anzieht ist etwas anderes als Gott, es ist nur sein Schatten: Salomo. Seine Gaben suchte sie, nicht Ihn. Es würde ganz anders befriedigen, wenn sie, die hochbegabte Frau, zu Salomo gekommen wäre, wie dort (2. Mos. 18, 10–12) Jethro zu seinem Schwäher Moses, um den wahren Gott zu suchen und zu finden. Einen Eindruck empfieng sie ja wohl, sie lobt ja Gott den HErrn, daß ER den Salomo zum König über Israel gesetzt hat, sie weiß auch von einem ewigen Reich Israel etc. und wenn man dies liest und dazu die Stellen des neuen Testaments (Matth. 12, 42), so wird man versucht, den Eindruck des Besuchs der Königin auf sie selber hoch anzuschlagen. Aber das ist der Fluch des Polytheismus, daß man der Fußangel nicht ledig wird, die der Dienst der falschen Götter anlegt. Die Frau erkannte wol, daß Jehovah der Gott Israels sei, aber daß sie deswegen Ihm angehören müße, fiel ihr nicht ein; sie ist eine Sabäerin, sie betet die Sterne an; sie bewundert wol den Salomo, aber sie geht wieder wie sie gekommen ist. Was hätte die Königin von Salomo lernen können! Salomo hat doch ohne Zweifel mit ihr von seinem Gott gesprochen, so gut wie er in seinem offenen Schreiben an seinen Freund Hiram ihm die Wahrheit vor Augen legte, daß der Gott Israels der Einzige sei, der Himmel und Erde geschaffen habe (2. Chron. 2, 5 ff.). Gott will eben, daß wir keine

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Wilhelm Löhe: David und Salomo. C. Bertelsmann, Gütersloh 1895, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_David_und_Salomo.pdf/131&oldid=- (Version vom 11.9.2016)