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Volk Israel doch keinen Augenblick entgangen, mit wem sie es zu thun haben. Wären sie nur der Freuden voll gewesen, so würden nicht die 22 000 Farren und die 120 000 Schaafe geopfert worden sein. Es liegt darin das Geständniß, daß es eitel Gnade ist, wenn der HErr sich freundlich zu Seinem Volke neigt. Das strömende Blut der Opferthiere zeugt davon, daß Israel sich selbst verurtheilt und allein auf die Gnade seines Gottes sich verläßt. Die Gegenwart Gottes kann die Herzen erfreuen und demüthigen und soll es. Dann ist es mit dem Menschen recht bestellt, wenn Freude am HErrn und heilige Demuth im Herzen neben einander wohnt.


2.

 Unter den Kräften, die der Mensch besitzt, ist eine, die bemistraut wird und bemistraut zu werden verdient, und doch eine treffliche Gabe Gottes ist wie irgend eine: es ist die Einbildungskraft. Was wäre eine Erzählung vergangner Dinge, wenn wir nicht im geistigen Bilde schauten was mit Worten erzählt wird? Es ist daher ein ganz richtiger Gedanke der Neuzeit, daß sie versucht durch Bilder dem Geiste anschaulich zu machen was die Schrift erzählt, und ich erinnere mich, daß namentlich die Opferscene unter denjenigen Bildern ist, die die Seele besonders ansprechen. Malt euch nun einmal den ganzen Vorgang, wie er hier geschildert wird, aus; denkt euch die Priester und Leviten, die Propheten und Schauer, die Sangmeister, den Klang der 120 silbernen Posaunen der Priester, den Schall der heiligen Musik und der zum Himmel emporsteigenden Gesänge, die Menge der Opferthiere, das in Strömen fließende Blut von so viel tausend Wesen, die ihr Leben unter den Opfermessern verhauchen, die alle auf Christum hindeuteten, und wie all das Todesröcheln der Opfer übertönt wird durch den Jubel der

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Wilhelm Löhe: David und Salomo. C. Bertelsmann, Gütersloh 1895, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_David_und_Salomo.pdf/121&oldid=- (Version vom 11.9.2016)