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Herrlichkeit.“ So ist „glauben und „lieben“ merkwürdigerweise der sprachlichen Ableitung nach nah verwandt.

 Glaube und Liebe gehören aufs engste zusammen. St. Johannes redet in seinem 1. Brief oft von der Liebe so, daß man den Glauben mit hinein genommen findet. Und doch sind Glaube und Liebe verschieden. Der Glaube nimmt und ergreift, die Liebe gibt. Der Glaube faßt, die Liebe entäußert sich. Aber so verschieden Glaube und Liebe sind, so eng gehören sie auch zusammen. Der lebendige Glaube kann nicht sein ohne daß er sich in der Liebe erschlösse und die Liebe, wiederum vor allem die Liebe zu Gott, kann ohne Glauben gar nicht vorhanden sein. Erst müssen wir im Glauben des gewiß worden sein, was Gott uns gibt, ehe wir zum Dank dafür uns Ihm wieder in Liebe schenken können.

 Wir reden heute: Von der Liebe und ihren Erweisungen: Barmherzigkeit, Geduld und Freundlichkeit.

 Wenn wir von der Liebe reden, so können wir nicht anders unsern Ausgang nehmen als von Gott, der selbst die Liebe ist. Gottes Wesen ist uns unerforschlich. Wir sehen hier immer nur durch einen Spiegel wie im Rätsel, wie der Apostel 1. Korinther 13 sagt. Wir vermögen uns nichts vorzustellen oder völlig klar zu machen, was losgelöst ist von der Welt der Erscheinung, in der wir uns bewegen. Und wie könnten wir vollends das Höchste, den Urquell alles Seins und aller Vollkommenheit, wie könnten wir das göttliche Wesen ermessen und begreifen! Nur soviel können wir wie von ferne davon sagen. Es ist in Gott der Inbegriff und die Zusammenfassung aller Vollkommenheit, aller Seligkeit und Herrlichkeit. Wir kennen Gott nur aus Seinem Tun und Verhalten gegenüber der Welt und den Menschen. Und da tritt uns ein doppeltes entgegen. Daß Gott einerseits abgeschlossen ist in Sich Selbst, als der keines Dinges und keines Menschen bedarf und daß dieser Gott Sich doch aufschloß in Liebe nach außen. Die Abgeschlossenheit und Erschlossenheit Gottes kann man wohl auch als Seine Heiligkeit und Seine Liebe bezeichnen. Als der Heilige unterscheidet Er sich von allem Unvollkommenen; als der, der die Liebe ist, schließt Er Sich uns auf. Man kann sich hier auf das Beispiel und den Vergleich des Lichtes beziehen: wie ein Licht erleuchtet und erwärmt aber auch verzehrt, so ist Gott die Heiligkeit und Liebe zugleich. „Gott ist die Liebe,“ das offenbart uns die Schrift 1. Joh. 4. Hierdurch wird uns auch einiger maßen Licht gegeben für die Erkenntnis der göttlichen Dreieinigkeit. Weil Gott der Ewige ist und der Welt, der Kreatur nicht bedarf, in Sich Selbst voll kommen, in sich selbst selig, so kann in Gott keine starre Einerleiheit sein. Nicht Monismus, was gegenwärtig so vielfach das Losungswort ist, und als Forderung des Denkens gilt, sondern Harmonie ist das Höchste und im Drei einigen Gott ist die höchste Harmonie alles Seins, alles Lebens, aller Seligkeit