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sondern Christi vollkommene Gerechtigkeit ansehen wolle. So kann es nur durch die Rechtfertigung aus dem Glauben zur vollen Gewißheit und Freudigkeit des Gnadenstandes kommen. Die römische Kirche will gar nicht, daß der einzelne Christ jemals seines Heils völlig gewiß wird. Er soll in steter Abhängigkeit von der hierarchisch verfaßten Kirche bleiben und nur durch des Priesters Lossprechung immer wieder Vergebung der Sünden für eine Zeit erlangen können. Danken wir Gott, daß wir auf diesen festen und klaren Grund gestellt sind. Man kann auch sagen, daß in der Rechtfertigung der Dreieinige Gott an dem Einzelnen sich wirksam erweist. Der Vater ist es, der uns für gerecht erklärt, Er, der Herr der Welt und unseres Lebens, Er, an dem wir uns sonderlich versündigt haben. Jesus ist es, der uns durch Seine Fürsprache beim Vater vertritt und Sein Verdienst für uns geltend macht. Der Heilige Geist ist es, der den Glauben in uns wirkt, durch den wir Christi Verdienst erfassen und der uns innerlich unseres Gnadenstandes, der Vergebung der Sünden, der Kindschaft beim Vater gewiß macht. Eben, weil der Geist das allein in uns wirken kann, so muß die Rechtfertigung dem Werk der Aneignung des Heils, also dem 3. Glaubensartikel beigezählt werden. Die Erlösung von Sünden ist des Sohnes Werk, die einmal geschah für allezeit, die Vergebung der Sünden ist des Heiligen Geistes Gabe, weil Er nur sie den Einzelnen zuwendet, indem Er den Glauben in uns wirkt. So ist die Rechtfertigung nicht ein Vorgang der außer dem Menschen stattfindet, aber auch nicht etwa nur bloßes inneres Erleben des Einzelnen, sondern eine Tat Gottes, die er an jedem Einzelnen vollzieht auf Grund dessen, was der Geist in ihm gewirkt hat.

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 Wie kommt nun aber, so fragen wir weiter, der Glaube in uns zustande? Wir haben schon gesagt: Nur und allein durch den heiligen Geist. Und das Mittel ist, wie wir auch schon dargelegt haben in früherer Stunde, das Wort. Was ist nun aber der Weg, was ist – wie man sich wohl gegenwärtig aus drückt – der psychologische Vorgang, wie der Einzelne zum Glauben, zu der festen inneren Gewißheit der Gnade kommen kann? Es gibt keinen andern Weg als durch die Buße hindurch. Nur wenn wir gelernt haben, alles Vertrauen auf uns selber wegzuwerfen, nur dann kann dies völlige Vertrauen auf Christum allein in uns zustande kommen. Der Heilige Geist will im Werk der Heilsaneignung, auf dem Wege der Heilsordnung, zuerst ein Verlangen nach Heil und Gnade in uns wirken, durch das berufende Wort. Wenn der Christ dann zur Frage nach dem Heil gelangt ist: „Was muß ich tun, daß ich selig werde?“, dann wirkt der Heilige Geist weiter in uns die Erleuchtung. Und zwar zeigt er uns zuerst durch das Gesetz unser tiefes sündiges Verderben, führt uns dahin, daß wir an uns selbst verzweifeln und daß wir Angst und Schrecken in uns empfinden, Angst und Schrecken um unserer Seelen Heil und Seligkeit, wenn die Größe der Sünde und unserer Schuld, der Ernst des göttlichen Gerichtes in unserer Seele wirksam wird. Wenn in uns so die aufrichtige Reue