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Glauben ist, geführt worden. Die Bedeutung der Worte, die hier in Betracht kommen, ist höchst merkwürdig. Das alttestamentliche hebräische Wort für „glauben“ heißt „sich auf etwas stützen.“ Es ist noch verwandt mit dem Wort „Amen“, das Gewißheit, Zuversicht zunächst bedeutet. Die griechischen und lateinischen Ausdrücke für Glauben hängen mit „Vertrauen“ zusammen, daß man sich Einem anvertraut. Und das deutsche Wort „glauben“ heißt vertrauensvoll sich in eines anderen Schutz begeben, „ge-lauben. (Laube, so viel wie Schutz), also sich an einen Andern so anschließen, daß man im Zusammenhang mit ihm Schutz findet. Merkwürdig ist, wie schon die Bedeutung der Worte auf den rechten Weg hinweisen kann. Wenn allmählich in der deutschen Sprache das Wort „glauben“ den Sinn von „meinen“ erlangt hat, so ist das ein Herab sinken, eine Abschwächung der ursprünglichen sprachlichen Bedeutung des Wortes, wie das oftmals zu beobachten ist. Der Glaube ist – nocheinmal zusammen gefaßt – das persönliche Erfassen, die persönliche Aneignung Christi und Seines Heils.

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 Daher nun auch die Wirkung des Glaubens, daß er uns gerecht und selig macht. Ich denke, daß unter uns niemand sein wird, der nicht Antwort geben könnte auf die Frage: Warum macht der Glaube gerecht und selig? Die Antwort ist die: Weil wir im Glauben das Verdienst Jesu Christi er greifen, das uns allein selig macht. So lehrt es der 4. Artikel der Augsb. Konfession, so hat es Melanchthon besonders klar dargelegt. Er sagt, lateinisch sich ausdrünend, wie er „der Magister Deutschlands“, es pflegte: die causa meritoria d. h. „die verdienende Ursache“ der Rechtfertigung ist nicht der Glaube, das ist Verdienst und Werk Jesu Christi, der Glaube ist nur die causa instrumentalis d. h. die vermittelnde Ursache, gleichsam das Instrument, durch welches wir das Verdienst Christi und Seine vollkommene Gerechtigkeit erfassen oder wie er sich griechisch ausdrückt: der Glaube ist das erfassende Organ oder Werkzeug. Darum macht der Glaube selig, weil wir im Glauben Christi Verdienst erfassen, nicht weil der Glaube eine Gott wohlgefällige Tugend ist. Das wäre eine falsche Auffassung. Ich möchte keinen Einsegnungsunterricht erteilt haben, ohne von der teuern Lehre der „Rechtfertigung aus Gnaden durch den Glauben“ wenigstens einmal gesprochen zu haben. Der Glaube macht uns vor Gott gerecht. Gott rechtfertigt uns d. h. Er erklärt uns für gerecht, Er sieht uns für Gerechte an. Wir sind nicht gerecht an uns selbst, wir sind Sünder. Wenn Gott uns Sünder für gerecht erklärt, so sieht Er die Sünde nicht an und rechnet sie uns nicht zu, weil Er dafür Christum und Sein Verdienst ansieht, weil Er die vollkommene Gerechtigkeit Christi uns zurechnet, sie ansieht, als wäre sie unsere eigene. Sie ist ja freilich unsere eigene nicht; Gott kann sie   uns aber anrechnen, weil Er – von Christus aus gedacht – alles für uns getan hat und von uns aus, weil wir die Gerechtigkeit Christi im Glauben erfassen und sie vor Gott bringen und Gott bitten, daß er nicht uns und unsere Sünde,