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die wie die Pharisäer absichtlich beteten um von den Leuten gesehen zu werden. Hat doch der Herr selbst vor den Jüngern gebetet und Seine Jünger damit zum Gebet ermuntert. Er will Ehre haben in der Gemeinde, die Sein eigen ist und so will Er auch das gemeinsame Gebet der Seinigen. Er hat auch gesagt, daß Gott das Gebet der Seinigen erhören wird, wenn sie ohne Unterlaß zu Ihm rufen, Er wird sie erretten in einer Kürze. Es gibt gemeinsames Gebet in der Kirche und sonstiger Gemeinschaft, aber allerdings bleibt entschieden das wichtigste das Gebet des Einzelnen im Kämmerlein. Hier kann in der verschiedensten Weise gebetet werden. Man kann ein fremdes Gebet vor Gott bringen oder ein eigenes. Es ist ein übler Ausdruck, wenn man diesen Unterschied bezeichnet mit Formel- und Herzensgebet. Das fremde Gebet muß nie eine Formel sein, und das freie Gebet ist durchaus nicht ohne weiteres und an sich schon als rechtes Herzensgebet zu bezeichnen. Es kann auch ein sogenanntes freies Gebet ein Plappern sein nach Art der Heiden. Freies oder angeeignetes Gebet, es hat jedes sein Recht. Wir dürfen uns für die Berechtigung des Gebrauches fremder Gebete auf Christi eigenes Beispiel berufen, der am Kreuz in dem mittleren und letzten Seiner Worte aus dem Alten Testament die Gebetsworte nahm, mit denen Er in der ernsten Stunde hindurch gedrungen ist zum Sieg. In höchster Not wird der Mensch immer nach irgendeinem Gebetswort, nach einem Lied, Psalm oder Schriftwort greifen, das er vorher sich eingeprägt hat. Es muß überhaupt der Rat gegeben werden: so sehr das Gebet ein eigenes, freies Gebet sein muß, wenn es sich um unsere eigenen Anliegen, um den inneren Stand unserer Seele handelt, so muß doch, wenn es uns schwer fällt, frei aus dem Herzen unsere Gebete zu gestalten, nach einem Buchgebet gegriffen werden und man wird sich immer aus den Gebeten der Kirche Gebetsgedanken aneignen dürfen. Man kann auswendig gelernte Gebete beten oder ein Buch gebrauchen, es kommt nur immer darauf an, daß man die Gebetsgedanken wirklich erfaßt und sie als seine Bitten, sein Lob, seine Anbetung vor Gott bringt. Man kann frei aus dem Herzen beten und wir wollen, was das freie Gebet anlangt, nicht zu ängstlich sein, auch unter Umständen frei in der Gemeinschaft beten, aber anderseits wollen wir ja nicht in den Fehler fallen, mit den freien Gebeten sich hören zu lassen, wie es in den Gemeinschaftskreisen sich uns darstellt, wo die Reihe um gebetet wird, so daß man sich bemühen muß, neue Gebetsgedanken hervorzusuchen. Das ist eine große Gefahr.

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 Wir fassen nun zum Schluß zusammen. Das Gebet als Gabe und zugleich als Kraft. Als teure Gabe, als Kindesrecht stellt sich uns das Gebet vor allem dar und durch die Erhörung des Gebets ist es uns eine Quelle reicher unzähliger Gnaden. Zugleich wird das Gebetsleben in uns zu einer wichtigen Kraftquelle für unseren eigenen Christenstand. Wie wichtig ist das Gebet als Kraftquelle zur Heiligung unserer Arbeit. Alle Dinge sollen geheiligt