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Drohung gewesen? Soll Gott es nicht Ernst gemeint haben, wenn er Jona nach Ninive gesandt hat mit der Botschaft, die Stadt soll in 40 Tagen untergehen? Mit der Wahrhaftigkeit und Heiligkeit Gottes wird das sich schwerlich vereinigen lassen. Es wird darum die Lösung auf anderem Wege zu suchen sein. Man darf die Vorausbestimmung nicht übertreiben, sonst gerät man auf den Weg Calvins, der zuletzt nicht vor der äußersten Konsequenz zurückscheute, daß Gott auch den Sündenfall der Menschen gewollt habe, damit an denen, die verloren gehen, der Ernst und die Heiligkeit Gottes offenbar würde, ebenso wie an denen, die gerettet werden, Seine Gnade und Erbarmung. Wir werden vielmehr sagen: Gottes Liebesratschluß im ganzen ist freilich unabänderlich und Gott hat Seinem Liebesratschluß zur Erlösung der Menschheit durchgeführt trotz aller Sünde und wird ihn hinausführen; aber er ist darum nicht unabänderlich im einzelnen. Gott hat den ewigen Liebesratschluß – daß Er eine Menschheit wollte, die Ihm diente – nach dem Eintritt des Sündenfalles umgestaltet in den Ratschluß der Erlösung. Im einzelnen geht Gott allezeit auf das Tun der Menschen ein und ändert auch Seine Entschlüsse, darum spricht die hlg. Schrift ausdrücklich von einer Reue Gottes. Eine Reue Gottes tritt dann ein, wenn Gott mit tiefem Schmerz erkennt, daß Seine Gnadenabsichten vergeblich gewesen sind, oder wenn Er ein schon verhängtes Gericht zurücknimmt. Gott geht – das ist das Große an Ihm – wirklich ein in die Geschichte und ich schrecke nicht vor der Konsequenz zurück, die mein sel. Lehrer Hofmann zog: Gott begibt sich ohne Zweifel auch oft Seines Vorauswissens. Die Allwissenheit Gottes ist so zu verstehen, daß Er weiß, was Er wissen will, ähnlich wie Er vermöge der Allmacht tun kann was Er will. Gott hat dem Menschen ein solches Maß von freiem Willen gegeben, daß Er die Menschen gewähren läßt in großer Geduld und wunderbarem Warten. Er nimmt dann Kenntnis vom Stand der Dinge, wie es etwa heißt: „Gott fuhr herab und sah, was die Menschen taten, oder „Er sandte die Engel nach Sodom, um zu sehen, wie es sei“, Gott nimmt, wenn Seine Zeit gekommen ist, Kenntnis von dem Stand der Dinge, von der Menschen Tun und darnach faßt Er Seine Entschlüsse und ändert sie im einzelnen ab, freilich alles im Dienst des großen ewigen Liebesratschlusses der Erlösung. Auf diesem Weg scheint mir die Lösung der schwierigen Frage gesucht werden zu müssen.

 Wir reden nun weiter vom Gebet in der Mannigfaltigkeit seiner Betätigung.

 Wir haben hier zu unterscheiden das Einzelgebet und gemeinsames Gebet. Dieses begegnet uns von Anfang an in der Menschheitsgeschichte, wie wir wissen, erstmals bei Enos. Gemeinsames Gebet findet statt in der Kirche, im engsten Kreis des Hauses, in sonstiger Gemeinschaft. Dieses gemeinsame Gebet meint der Herr nicht, wenn Er Matth. 6 davon spricht, daß man nicht vor der Öffentlichkeit beten soll. Er will dort nur dem Mißbrauch derer entgegentreten,