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geschahen und darum in der gegenwärtigen Zwischenzeit, in der wir leben, nicht hervortreten, so müßte es geradezu für eine Schwäche des Glaubens erklärt werden, wenn ein Christ zweifeln wollte, daß Gott jederzeit auch auf wirklich wunderbarem Wege helfen kann. Einzelne Erfahrungen sind auch nach dieser Seite hin wiederholt von gläubigen Christen gemacht worden. Wenn von einem gläubigen Geistlichen berichtet wurde, daß im Winter auf einer nächtlichen Schlittenfahrt, wo der Weg verloren war, in der Nähe eines tiefen Abgrunds ein lautes „Halt“ erscholl, von dem niemand wußte, woher es kam, so ist das eine Unterbrechung des Naturzusammenhangs, ein Eingreifen Gottes. Es geschieht das durch der Engel Dienst und wenn wir glauben, daß Gott durch Seine Engel uns beschützt, so kann es uns auch nicht zweifelhaft sein, daß auch auf direkte wunderbare Weise durch der Engel Hilfe und Beistand Erhörung sich vollzieht. Man hat darum mit Recht gesagt: Gebetserhörung ist ein durch unser Gebet verursachtes Tun Gottes.

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 Ich möchte hier besonders hervorheben, daß die Gebetserhörung nicht nur subjektive Bedeutung hat, wie der Bischof Monrad in seiner Schrift über das Gebet es darstellt: das Gebet werde erhört insofern als der Mensch sich innerlich durch das Gebet so umgestalten läßt, daß die göttlichen Wege nun die seinigen werden können. Das wäre eine subjektive Bedeutung, die das Gebet sicher auch hat, indem es zur Ergebung unter den Gottes Willen helfen kann, aber von seiner objektiven Erhörung wäre dann keine Rede. Die Gebetserhörung ist aber ein Tun Gottes, das durch menschliches Gebet direkt veranlaßt ist. So sieht die hlg. Schrift es auch an, wenn sie Gott den nennt, der „Gebet erhört.“ Nun erhebt sich hier eine schwierige Frage: Wie verhält sich dann das Gebet und seine Erhörung zu Gottes Vorauswissen und Vorausbestimmung? Da sagen die Einen: Das ist das Große, daß Gott der Menschen Verhalten, so auch der Christen Gebet, schon von Anbeginn an längst zuvor in Seinen Ratschluß mit aufgenommen hat. Das ist eine Lösung der Frage, die nicht ohne weiteres abgelehnt werden darf. Es wäre etwas Großes zu nennen, wenn Gott von Anbeginn an das später eintretende Gebet eines Menschen mit in Seinen Ratschluß aufgenommen hätte. Aber wie wären dann wirkliche Änderungen im göttlichen Ratschluß zu erklären und mit der Wahrhaftigkeit Gottes zu vereinigen? Wie war es dann möglich, daß Gott der Stadt Sodom Rettung verheißen hat, wenn nur 50 Gerechte in ihr sich fänden, wie konnte Er das in Aussicht stellen, wenn Er schon vorher die Absicht gehabt hätte, auch wenn nur zehn sich fänden, sie zu verschonen? Warum nennt Er dann erst 50? Nur etwa um Abraham auf die Probe zu stellen? Ließe sich das mit der Wahrheit Gottes und dem Ernst Seiner Gerichte vereinigen? Oder wenn Gott den Propheten Jesaia zu Hiskia sendet und sagen läßt: „Bestelle Dein Haus, denn du mußt sterben“, soll Er das nur zum Schein gesagt haben, um seinen Glauben zu prüfen? Ist das eine nicht ernst gemeinte