Seite:Wilhelm Eichhorn - Einsegnungsunterricht 1912.pdf/75

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

vor Gott und es wird schließlich erhört. Der Herr nimmt die in der Bergpredigt gegebene Zusage noch einmal auf, wo Er vom Gebet in Seinem Namen spricht, wo Er also das Gebet nach seinem innersten Wesen als Gebet der Gottesgemeinschaft uns enthüllt. „Bisher habt ihr nicht gebeten in Meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei.“

 Die Gebetserhörung ist geradezu selbstverständlich für die biblische und christliche Gottes- und Weltanschauung. Gebetserhörung vollzieht sich schon dadurch, daß Gott seine allgemeinen Gnadenverheißungen für das äußere und innere Leben als Antwort auf das Gebet – Er will gebeten sein – den Einzelnen zuwendet. Aber es fragt sich, ob auch ein ganz direkt durch menschliche Bitte veranlaßtes göttliches Tun angenommen werden dürfe. Hierüber sei einiges angedeutet.

 Gott regiert die Welt, wie Er sie erschaffen hat und wie Er sie erhält. Obwohl Er die Welt durch die von Ihm gegebene Naturordnung erhält und regiert ist Er doch nicht an sie gebunden, Er kann eingreifen, etwas tun und wirken ohne die gewöhnlichen Mittelursachen. Die Gebetserhörung kann sich nun bewegen innerhalb der göttlichen Weltregierung und Erhaltung der Dinge, das ist das Gewöhnliche. Unsere Väter rechnen mit zur göttlichen Vorsehung, den sogen. Concursus, das ist Seine Mitwirkung, daß Er einwirkt auf Entschlüsse und Handlungen der Menschen und sie stellt die eigentliche Leitung der Dinge dar. Dieselbe betätigt sich, wie von unsern Vätern mit Recht erkannt wurde, in folgenden einzelnen Momenten: der Zulassung auch von bösen Handlungen, der Verhinderung von bösen Handlungen wenn Gott es will, Lenkung dessen, was der Mensch tut nach irgend einer Seite hin, so daß das, was vom Menschen böse gemeint war, von Gott so gerichtet wird, daß es doch zum Guten ausschlägt, wie Joseph sich ausdrückte: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen“ (1. Mose 50, V. 20); ferner Zielsetzung, insoferne Gott jeden Augenblick sprechen kann: „Bis hieher und nicht weiter.“ Durch dieses Einwirken auf das Tun der Menschen vollziehen sich viele merkbaren Gebetserhörungen. Herrliche Beispiele sind uns bekannt, wie zu derselbigen Stunde, da die Not am größten war, die Hilfe eintrat durch menschliche Mittelursachen, aber doch durch Gottes sichtliche Leitung. Das ist die Gebetserhörung, die noch innerhalb der gottgesetzten Weltordnung sich vollzieht. Bewundernswert ist, wie Gott alles herrlich regiert, aber es ist noch nicht ein Wunder im vollen Sinn, es ist noch nicht ein Durchbrechen der Naturordnung. Aber Gott kann in vollem Sinn auch wunderbar Gebete erhören. Die Wunder, welche Zeichen genannt werden, stehen alle im Zusammenhang mit dem Erlösungswerk, mit seiner Vorbereitung im alten Testament und der Ausführung desselben im Neuen Testament durch Christum und die Apostel: das sind also die Wunder der heiligen Schrift. Aber obgleich diese eigentlichen Wunder und Zeichen nur im Zusammenhang mit dem Erlösungswerk und dessen Vollendung