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Das Gebet muß ein Gespräch sein. Das Gebet ist nicht etwa ein bloßes Sich versenken in Gott im Sinn der verkehrten Mystik, sondern vielmehr ein Reden mit Gott; es muß in Worte gefaßt sein. Das Gespräch des Herzens mit Gott in kindlichem Geist, in Jesu Namen, bezeichnet das wahre Wesen des Gebets.

 Geschieht das Gebet wirklich in Jesu Namen, so ist es andächtig; denn wer in Jesu Namen betet, der sucht Gott, sucht die Gemeinschaft mit Ihm und erhebt damit Herz und Gedanken über die Sichtbarkeit. Das Gebet in Jesu Namen ist demütig; denn wer im Namen Jesu betet, ist sich dessen wohl bewußt, daß wir nicht wert sind, vor Gott zu treten, daß unsere eigene Gerechtigkeit nur ist wie ein beflecktes Kleid. Das Gebet in Jesu Namen ist gläubig, weil wir uns auf den fest verlassen, der uns dies teure Kindesrecht gab und von dem wir wissen, daß Er uns selbst beim Vater vertritt, uns den Zugang beim Vater allezeit offenhält. Das Gebet in Jesu Namen ist auch anhaltend nach Jesu eigenem Vorbild; denn Er hat uns selbst das Vorbild anhaltenden eifrigsten Gebetes gegeben. Er hat Seine Jünger Kenntnis davon nehmen lassen, daß Er mehr wie eine Nacht im Gebet verbrachte. Er hat Seine Jünger und uns durch sie gewürdigt, Kenntnis zu nehmen von den Gebeten, die Er an den Vater richtete. Denken wir an das höchste Gebet, das es überhaupt gibt und geben kann, das hohepriesterliche Gebet, von dem Melanchthon sagt: Majestätischeres, Gewaltigeres ist nie im Himmel und auf Erden gehört worden als dies Gebet des Sohnes vor Seinem Hingang zum Vater.“ Das ist das Gebet nach seinem wahren Wesen.

 Wir sprechen vom Gebet nach seinem Inhalt. Wenn wir im Namen Jesu beten, dann wird auch unser Gebet in Jesu Sinn und Geist vermeint sein. So sagt Johannes im 1. Brief im 5. Kapitel: „So wir bitten nach Seinem Willen, so höret er uns.“ Wer in Jesu Namen betet, kann nur nach Seinem Sinn und Willen beten. All unser Gebet wird dann immer die Richtung auf das Eine, was not ist, haben, nämlich die Richtung auf unsere Seligkeit und auf den großen, alles zusammenfassenden Zweck der Erscheinung des Reiches Gottes. Wenn wir in Jesu Namen beten, dann werden wir vor allem beten um geistliche Gaben. Wir werden um leibliche, irdische Gaben nur insoweit beten als dieselben uns nützlich und förderlich, mindestens nicht hinderlich sind in Beziehung auf die Seligkeit, in Beziehung auf das Heil unserer Seele. Wir werden dann, wenn wir in Jesu Namen beten, auch nicht nur für uns allein beten, sondern auch für andere, insbesondere die teuer Miterlösten nie und nimmer vergessen können. Besonders wird dann unser Gebet sich auf die Heiligung des göttlichen Namens, der in Jesu uns offenbar geworden ist, auf das Kommen Seines Reiches und die Erfüllung Seines Gnadenwillens beziehen. Wie ist uns das im hlg. Vaterunser so herrlich vor Augen geführt, daß in den 3 ersten Bitten nicht das Wort „unser“ vorkommt, sondern