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 Ich will jetzt nicht die Geschichte des Diakonissentums wiederholen. Das wird in diesen Tagen von anderer Seite Ihnen in Erinnerung gerufen werden. Sie wissen den Schriftgrund der Diakonie, der in Römer 16 liegt, wo zunächst Frauen oder Jungfrauen – das läßt sich nicht genau unterscheiden – genannt werden, die freiwillig Arbeit für die Gemeinde Christi auf sich genommen haben, aber dann erscheint hier die Phöbe, die einen geordneten Dienst an der Gemeinde von Kenchrea gehabt hat. Sie ist die erste wirkliche Diakonisse, die wir kennen. Also schon damals hat man einen geordneten Beruf weiblichen Kräften in der Gemeinde zugewiesen zur Betätigung der besonderen Gaben, die dem weiblichen Geschlecht verliehen sind. Sie wissen, daß das Klosterwesen später viele dieser schönen Tätigkeiten an sich riß und das durch Ausbildung des Klosterwesens das Diakonissentum in der Kirche auf lange verschwand. Vor der Reformation und während der Reformationszeit traten zwar Ansätze in der Kirche hervor, aber das damals äußerst geordnete, in regelmäßiger Bahn sich vollziehende bürgerliche Leben ließ diese Tätigkeit nicht aufkommen, bis die Bedürfnisse des modernen Lebens, das die alten Standes- und Berufsordnungen auflöste, besondere Tätigkeiten zur Abhilfe der großen Notstände notwendig machte. Sie wissen ferner, wie es mit der Erneuerung des Diakonissenberufes gegangen ist und wissen, daß ohne Frage die Tätigkeit der römischen barmherzigen Schwestern ein gewisses Vorbild dabei dargestellt hat. Fliedner, der als Reformierter den Katholiken besonders schroff gegenüber stand, hat keinen Anstand genommen, durch den praktischen Blick, der ihm eignete, die Tracht, die doch eine Eigentümlichkeit der katholischen Schwestern war, auf die evang. Diakonissen zu übertragen. Verschwiegen darf es nicht werden, daß nach der Reformation die kath. Kirche wie in der äußeren Mission so in der inneren Mission der evangelischen Kirche zunächst weit zuvorkam, was sich aus den geschichtlichen Verhältnissen erklären läßt und daß die evang. Kirche erst in späteren Jahrhunderten diese Tätigkeit in geordneter Weise in Angriff nahm.

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 Ich möchte jetzt darauf hinweisen, welch besonderer Halt und welch heilsame Zucht im Diakonissenberuf insonderheit liegt und zwar in der Gestalt, die Fliedner ihm gab und die Löhe akzeptierte, in der Gestalt des Mutterhauses. Was ist es doch für ein Halt, einen bestimmten, klaren Beruf zu haben, nicht übergreifen zu müssen, oder nur die Besorgnis des Übergreifens in andere Tätigkeit hegen zu müssen. Ein geordneter Weg der Arbeit ist hier gewiesen Tag für Tag und mag die Arbeit manchmal schwer sein, segensreich ist sie doch. Wie fügt sich jede einzelne Arbeit dem großen Ganzen ein. Es hat manche in ihrem Beruf Tätigkeiten einfacher Art in der Waschküche oder Küche, aber auch das ordnet sich beim Diakonissenberuf so schön dem Ganzen ein und gibt auch Gelegenheit rechte Barmherzigkeit zu üben und andere für das Werk zu gewinnen oder vorzubereiten. Das feste Zusammengefaßtsein im