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Staupitz, sein Lehrer und Führer, bürdete es ihm auf. Luther hat später im Klostergarten, der dann sein eigener ward, den Baum gezeigt, unter welchem ihm Staupitz trotz allen Sträubens diese Pflicht auferlegte. Die Kosten bezahlte der Kurfürst von Sachsen für ihn; denn auch damals schon war die Erlangung eines derartigen Ranges zugleich Geldfrage. Die Quittung die Luther darüber ausgestellt hatte, ist noch vorhanden und das erste Dokument in deutscher Sprache, das wir von der Hand Luthers besitzen. Luther hat zunächst auf diese erlangte Würde, die man jetzt etwa mit dem Namen eines ordentlichen Professors der Theologie benennen würde, kein großes Gewicht gelegt. Mancherlei Zeremonien und Äußerlichkeiten waren nach mittelalterlicher Art damit verbunden, auch äußerliche Abzeichen, wie ein Ring, den nur die Doktoren der Theologie tragen durften, wurde dabei überreicht und angesteckt. Aber auch eine Bibel wurde bei diesem Anlaß den Doktoren feierlich in die Hand gelegt. Und darauf hat sich Luther späterhin oftmals seinen Gegnern gegenüber bezogen, daß er als geschworener Doktor der Theologie Recht und Pflicht habe, diesen Weg zu gehen. Als er dann in den Bann getan worden war und in die kaiserliche Reichsacht, wurde er damit dieser Würde für verlustig erklärt, hat aber von dem an umsomehr, was er anfangs nicht so regelmäßig getan hat, mit diesem Namen und Titel „Martinus Luther D.“ sich unterschrieben und zumal in den letzten Jahren seines Lebens wiederholt darauf Bezug genommen, daß er auf Grund dieses seines Berufes seinen Kampf gegen das damalige Kirchentum auf sich genommen habe. Das Beispiel eines großen Mannes zeigt uns, wie der innere Beruf, den Luther ohne Zweifel von Gott empfangen hatte. doch auch gestützt wird und Halt empfängt durch den äußeren Beruf, der hinzukommt und der dann wie eine göttliche Bestätigung ist, daß man den rechten Weg eingeschlagen hat.

 Das kann als besonders wichtig angesehen werden für das weibliche Geschlecht, für solche, die den inneren Beruf der Tätigkeit für andere in sich fühlen. Der Mann wird schon durch die Notwendigkeit („durch die grausame Notwendigkeit“, wie die Römer sagten) dazu gebracht, einen bestimmten Beruf erwählen zu müssen. Das weibliche Geschlecht hat seine Aufgabe mehr im Innern des Hauses, ein bestimmter nach außen begrenzter Beruf liegt ihm an sich nicht so nahe. Nun gibt es aber der Jungfrauen und Frauen manche, die die Möglichkeit einer Betätigung nach außen haben und den inneren Drang dazu besitzen. Ohne geordneten Beruf wird vielfache Willkür und Übergreifen über die Grenzen hinüber die Folge sein und in der Gegenwart muß besonders betont werden, daß das weibliche Geschlecht in Gefahr ist, seine Grenze zu überschreiten.

 Sie, verehrte Schwestern, dürfen es als eine Gnade ansehen, daß Ihnen ein bestimmter Beruf durch Gottes Führung zugewiesen ist: der schöne Beruf der Diakonisse.