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die wider Gottes Willen sind, weshalb sie in der Reformation schlechthin fallen mußten, sondern heilige Orden sind die einzelnen Berufsarten und Stände, die Gott den Menschen angewiesen hat. Er ordnet dann die Haustafel nach dem Gesichtspunkt, den wir durch die drei sich reimenden Worte angedeutet finden: „Lehrstand, Wehrstand und Nährstand.“ Zuerst spricht er vom geistlichen Amt, dann von der Obrigkeit und dann von den im Haus sich gestaltenden Berufsarten. In der Augs. Konf. wird im 16. Artikel: „von der weltlichen Obrigkeit,“ in außerordentlich wichtiger und entscheidender Weise das Recht des irdischen Lebensberufes ausgesprochen: daß das christliche Vollkommheit nicht sei, wenn man dieser Stücke – der weltlichen Ordnungen – sich äußere, sich äußerlich davon zurückziehe. Hier ist für die evangelische Sittlichkeit, wenn man so sagen darf, der rechte Weg gewiesen. Es gilt Glauben und Liebe zu beweisen innerhalb des Berufes, den Gott jedem einzelnen Menschen zugewiesen hat. So ist durch die Reformation der weltlichen Stand, im guten Sinn gesagt, nämlich die Ordnung Gottes in der Welt wieder zu Ehren gekommen. Den Segen davon haben die evangelischen Völker deutlich und sichtlich. Gearbeitet wird bei den evangelischen Völkern – in evangelischen Ländern – ganz anders wie in den Gebieten der andern Konfessionen. Der Fortschritt und die Errungenschaften auf dem Gebiete des Kulturlebens fallen fast ausschließlich dem evang. Teil der Menschheit zu. Das ist der göttliche Lohn dafür, daß der Beruf in der evangelischen Kirche wieder zu Ehren gekommen ist.

 Man kann das auch weiterhin anwenden auf das christliche Leben. Die Reformation hat auch den allgemeinen Christenberuf wieder recht erkannt. Innerhalb der Grenzen und Bahnen des natürlichen Berufes soll auch der Christenberuf sich betätigen. Die katholische Kirche versteht unter guten Werken willkürlich selbst erwählte Werke, einzelne Betätigungen, die evangelische Kirche hat das Bestreben in dem ganzen von Gott zugewiesenen Lebenskreis christliche Vollkommenheit und christliche Tugend zu erweisen.

 So ist ein großer Segen sonderlich im irdischen Beruf und es darf der irdische Beruf wiederum zu einer besonderen Quelle der Kraft werden. Gewiß kann der Beruf überschätzt werden und die Gegenwart ist dazu in ziemlicher Gefahr. Man will überall nur Fachleute, wie man sie nennt, gelten lassen, man will, daß jegliche, auch die einfachste Tätigkeit, einer Prüfung unterworfen werde, daß man sozusagen einen besonderen staatlichen Stempel für alles haben muß. Das ist ein Übertreiben der Berufsordnung. Auf der anderen Seite ist es wichtig, den Halt zu erkennen, den der Beruf den einzelnen Menschen gibt. Wir könnten da eine geschichtliche Erinnerung an Luther einfügen. In diesen Tagen – am 18. und 19. Oktober – sind es 400 Jahre geworden, daß Luther den Doktorgrad in der theologischen Fakultät zu Wittenberg erwarb. Er selbst hatte an die Erlangung dieser Würde nicht gedacht;