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Wüste zum Berge Gottes, der das Ziel unserer Wallfahrt ist. Die Seligkeit endlich wird uns auf das gewisseste verbürgt, nachdem die Seligkeit nichts anderes ist als die vollkommene, sichtbare Gemeinschaft mit Gott und mit allen Gläubigen. So wird uns diese Seligkeit jetzt schon verbürgt, da wir im heiligen Abendmahl Gemeinschaft sonderlicher Art mit dem erhöhten Herrn und zugleich mit all den Seinigen auf Erden machen dürfen. Man hat das wohl noch direkter aus den Auferstehungsleib bezogen und gesagt, daß durchs heilige Abendmahl der Auferstehungsleib in uns genährt werde und es hat schon die alte Kirche das heilige Mahl „die Arznei der Unsterblichkeit“ genannt, wie auch bei Austeilung des heiligen Abendmahls in der alten Kirche, bei der Darreichung des Kelches gesagt wurde: „Blut des Herrn, der Trank des Lebens!“ Doch wollen wir diesem Gedanken nicht weiter nachdenken, da er manche Schwierigkeiten in sich schließt, insbesondere die kath. Auffassung darin gefunden werden könnte, wonach die Sakramente „Kanäle“ sind, durch welche die Gnade eingeflößt wird ohne Notwendigkeit einer inneren persönlichen Aneignung. Uns Lutherischen genügt, daß wir sagen können: Wenn der erhöhte Herr jetzt schon Seinen Leib und Sein Blut uns darreicht, die wir noch in dieser sterblichen Leibeshütte sind, so wird und kann Er diesen sterblichen Leib einst auferwecken und verklären und ihn ähnlich machen Seinem verklärten Leibe. Also eine ganz gewisse Bürgschaft der einstigen Auferstehung und Verklärung ist uns ganz zweifellos im heiligen Abendmahl gegeben. So besteht denn das sonderliche Gnadengut, die Fülle reicher Gnaden, die im heiligen Sakrament sich uns öffnet, in der sonderlichen Vereinigung mit dem erhöhten Herrn und zugleich mit seiner Kirche auf Erden, die da ist Sein Leib. Den letzteren Gedanken hebt auch St. Paulus 1. Korinther 10 hervor. „Ein Brot ist es, so sind wir viele ein Leib, dieweil wir alle eines Brotes teilhaftig sind.“ Wollen wir nicht dem erhöhten Herrn danken, daß Er Seiner Kirche auf Erden in dem heiligen Sakrament eine solche Quelle der Gnade eröffnet hat?

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 Wie steht es nun aber mit der tatsächlichen Wertschätzung des Sakramentes? Wir wissen, in der apostolischen Zeit haben allsonntäglich die Gottesdienste mit der Feier des heiligen Abendmahls – zuerst im Anschluß an ein Liebesmahl – geendet. Man konnte sich einen Gottesdienst, ein Zusammensein der Christen, ohne Feier des heiligen Mahles gar nicht denken. Ähnlich hat es Luther auch wieder gemeint und gewollt. In der römischen Kirche hatte das Meßopfer den Empfang des heiligen Mahles von Seiten der Gemeinde etwas zurückgedrängt. Im Meßopfer empfängt ja doch der Priester täglich – gleichsam für die Gemeinde – als deren priesterlicher Vertreter das heilige Sakrament. So bedarf es die Gemeinde selbst seltener und die römische Kirche hat im ganzen die Praxis, daß nur in der österlichen Zeit, an den 3 Sonntagen vor und nach Ostern, gewöhnlich der Empfang des Sakramentes von seiten der Gemeinde stattzufinden pflegt. Luther hat das auch wieder anders