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katholische Kirche allerdings diese Konsequenz nicht gezogen, indem sie an dem Bekenntnis des Konzils von Calcedon 451 festhielt, welches den Monophysitismus verwarf, nämlich die Auffassung, daß in Christo die menschliche Natur in die göttliche verwandelt worden sei. Sonst zeigt ihre ganze Art und Einrichtung einen sinnlichen Zug, daß gleichsam jetzt schon die einstige Vollendung und Herrlichkeit der Dinge vor Augen geführt werden soll, was noch nicht möglich ist, eine innere Unwahrheit darstellt und einen Rückfall in die alttestamentliche Weise, da alles auf das äußere gestellt war. So tritt mit innerer Notwendigkeit in der Lehre vom heiligen Abendmahl uns die Verschiedenheit der Konfessionen entgegen.

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 Die lutherische Kirche hat hier die richtige Mitte. Von einer Vereinigung der sichtbaren Zeichen und unsichtbaren Gnadengüter redet unsre Kirche mit vollem Recht; wie in Christo selber göttliche und menschliche Natur in wunderbarer Weise vereinigt sind, so auch in den Sakramenten. Der große Satz des Apostels Johannes „das Wort ward Fleisch,“ d. h. der ewige Gottessohn hat die menschliche Natur wirklich angenommen, dieser Satz wirkt auch hier durch. Dadurch hat unsere Kirche die rechte Mystik bewahrt, wie man in Wahrheit sagen kann, der Gedanke inniger geheimnisvoller Verbindung des Göttlichen und Menschlichen ist gewahrt und vor Abwegen bewahrt geblieben. Es ist auch mit Recht gesagt worden, daß das was Luther von der Erhöhung Christi lehrt, daß die Rechte Gottes, zu der er erhoben ward, nicht örtlich zu denken sei, sondern vielmehr allenthalben, also der Zustand der göttlichen Erhabenheit über die Welt, die göttliche Seinsweise, ähnlich wie das, was die Väter darnach über die Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in Christo sagten: „Das Sichtbare ist fähig, das Unsichtbare in sich aufzunehmen,“ hohe, für das christliche Denken sehr fruchtbare Gedanken bietet: die unsichtbare Welt ist allenthalben und umgibt und durchdringt die sichtbare überall. Diese Erkenntnis hat unsere Kirche aus ihrer rechten Anschauung vom Sakrament und der Person Christi gewonnen. Doch wichtiger ist für uns, daß diese Lehre schriftgemäß ist. Wir wissen, auf was Luther bei dieser Lehre sich stützte. Als er in den ersten Oktobertagen des Jahres 1529 auf dem Schloß zu Marburg mit Zwingli verhandelte – das einzigemal im Leben, wo die beiden Männer sich begegneten – da schrieb Luther bekanntlich, als man zur Lehre vom hl. Abendmahl kam, mit Kreide vor sich hin auf den Tisch in griechischer Sprache die Worte: „das ist Mein Leib; das ist Mein Blut.“ Es wird nun freilich dem entgegen gehalten, daß man sich auf die Einsetzungsworte dabei doch nicht ganz beziehen dürfe, weil sie uns in verschiedener Fassung vorliegen. Matthäus und Markus haben allerdings die Worte: „Das ist Mein Leib, das ist Mein Blut des Neuen Testaments,“ bei Lukas und Paulus dagegen heißt es: „Das ist das Neue Testament in Meinem Blute.“ Darauf stützen sich die Vertreter der reformierten Auffassung und wollen daraus erweisen, daß es doch nur bildlich