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gemacht werden könnte, das ist beim Tier ausgeschlossen. Der Mensch kann denken und vermag die Ursachen der Dinge zu erforschen, er vermag zu verstehen und zu vernehmen, was die Dinge bedeuten, die in die sinnliche Erscheinung treten und von denen er eine sinnliche Wahrnehmung macht. Und im Zusammenhang damit vermag er Entschlüsse zu fassen, Pläne zu gestalten bis in die fernsten Zeiten. Hier zeigt sich das selbständige Denken und Wollen des Menschen, das ihn zur Herrschaft über die Erde, die Gott ihm zugewiesen hat, befähigt. Es ist mit Recht gesagt worden: Das Tier, auch wenn es die Sinneswerkzeuge dazu besitzt, kann nicht reden, weil es nichts zu reden weiß. Die menschliche Sprache aber ist der Ausdruck der Gedanken. Sie ist die Scheide, wie Luther sagt, in welcher das Schwert des Geistes steckt. So ist es um das Wort etwas Großes. Und was vermögen Worte zu wirken im Guten wie im Bösen. Im Guten hängt am Wort, an der Sprache alle Möglichkeit einer höheren Verständigung, einer Verständigung geistiger Art zwischen den Menschen. Alle Möglichkeit des Unterrichtens und Erziehens ruht darauf. Was haben Worte, die gesprochen, Reden, die gehalten worden sind, schon für Wirkung gehabt auf Tausende. Denken wir an die Zeit der Kreuzzüge, wo das Losungswort: „Gott will es“ Tausende mit fortriß. Denken wir an die Zeit der Reformation, wo das Wort von der Freiheit des Christenmenschen durchschlug und gewaltige Wirkung auf das Volk ausübte, oder an die Freiheitskriege, wo die Liedesworte und andere mächtige Reden gewirkt haben und einen hohen Aufschwung des deutschen Nationalgefühles hervorzurufen imstande waren. Aber freilich auch im Schlimmen hat das Wort nicht minder schon gewirkt. Denken wir an die Losungsworte der französischen Revolution „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit,“ die übel verstanden jene furchtbare Bewegung hervorgerufen haben. Oder denken wir, wie heute noch in den Städten, das Bürgertum, auch wenn es sich noch zum Christentum hält, sofort gefangen ist, wenn das Wort Fortschritt in die Wagschale geworfen wird.

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 So Großes können Worte wirken, das Größte aber freilich kann das Wort wirken, von dem wir reden. Daß der Mensch reden kann, das ist der Erweis dafür, daß er Gottes Ebenbild ist; denn Gott, der ewig der Urquell alles Lebens und Seins ist, ist der Schöpfer der Geister, auch der Gedanken und Er hat Seine Gedanken auch im Wort kundgetan. Er hat durchs Wort die Welt geschaffen, wie wir wissen und der ewige Sohn ist selbst das Wort des Vaters, in dem der Vater gleichsam beständig sich selbst vernimmt und schaut. So ist in Gott selbst das Wort im höchsten Sinn gelegen und so hat Gott Seine Offenbarung an das menschliche Geschlecht ins Wort gekleidet. Zwar hat Gott im ganzen gesehen sich nicht offenbaren wollen auf dem Weg der Lehre sondern vielmehr durch Seine Heils- und Erlösungstaten, aber durchs Wort sind je und je diese Erlösungstaten Gottes gedeutet worden. Das Wort