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2. Stunde.
Freitag 25. Okt., nachmittag
Lied 304, V. 1–5.
Psalm 1.
Kollekte S. 163, Nr. 10. Psalm 119, 17– 32.
Lied 308.

 Zu dem Reichtum der Heilserkenntnis, welche die Reformation uns vermittelt hat, gehört auch ihre klare Lehre über die Gnadenmittel. Sie hat am kürzesten ihren Ausdruck gefunden im 5. Artikel der Augsb. Konfession Nachdem im 4. Artikel die Hauptlehre der Reformation, der „Artikel der stehenden und fallenden Kirche“, die Lehre von der Rechtfertigung dargelegt worden war, geht mit Absicht das Bekenntnis nicht gleich zu dem weiter, was sich sachlich daran anzuschließen hätte – die Lehre von der Heiligung, vom neuen Gehorsam oder von den Früchten des Glaubens –, sondern es wird der Artikel eingefügt, der in den dermaligen Ausgaben der Augsb. Konfession überschrieben ist „vom Predigtamt“, der aber in Wahrheit überschrieben sein müßte: „von den Gnadenmitteln“, wobei bemerkt sei, daß die uns jetzt geläufigen Überschriften erst später beigefügt wurden. In diesem Artikel heißt es: „Solchen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt, Evangelium und Sakrament gegeben“ [oder wie es nach lateinischem Texte heißt: „Solchen Glauben zu erlangen, ist eingesetzt der Dienst das Evangelium zu lehren und die Sakramente zu verwalten], durch welche, als durch Mittel, Er den heiligen Geist gibt, der den Glauben wirkt wo und wann er will in denen, so das Evangelium hören.“ Hier ist deutlich ausgesprochen, daß heilsordnungsmäßig die Wirkung des heiligen Geistes an die äußeren oder leiblichen Mittel des Wortes und der Sakramente geknüpft sind. Hier ist jeglicher Schwärmerei des bloßen Gefühlslebens gewehrt. Merkwürdig, wie die beiden andern Kirchen, – obwohl sie sich sonst aufs schärfste entgegengesetzt sind, – nach dem Grundsatz, daß Extreme sich berühren – hierin vielmehr schwärmerischen Richtungen Raum geben.

 Die reformierte Kirche löst die Geisteswirkung von den äußern Gnadenmitteln Wort und Sakrament ab, nimmt ein Überströmen des Geistes von Person zu Person an; die römische Kirche übertreibt zwar, wie bekannt, die Lehre von den Sakramenten sehr stark, aber sie gibt auch wieder schwärmerischem Einfluß Raum, insofern Visionen, d. i. Gesichte je und eine je bedeutende Rolle im Leben der katholischen Kirche und ihrer Vertreter gespielt haben.