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auf die Kinder eingewirkt haben. Täte man es, dann würde man manches Verkehrte in ihnen richtiger, liebevoller und barmherziger beurteilen.

 Wie kommt es nun, daß die Sünde sich forterbt? Gott hat die Menschen als Einheit geschaffen im Unterschied von den Engeln und hat die menschliche Natur nur einmal ins Dasein gerufen in Adam. Diese eine Menschennatur pflanzt sich fort, an ihr haben alle teil. Darin liegt die Einheit des menschlichen Geschlechtes und darauf beruht auch das Nächstenverhältnis. Weil jeder Mensch teil hat an der einen selben Menschennatur, so ist jeder Mensch auch unser eigen Fleisch und Blut. Aber freilich: Damit erbte sich auch die Sünde fort; die Schrift bezeugt die allgemeine Sündhaftigkeit aller Menschen. Das alte Testament weist das schon klar und deutlich auf, wie z. B. in dem Psalm, den wir gebetet haben. Und das neue Testament bestätigt das kräftig besonders in der Römerstelle: „Durch einen Menschen ist die Sünde gekommen in die Welt und ist zu allen Menschen hindurchgedrungen, da sie (unter diesem Verhängnis) alle gesündigt haben.“ Ein schweres Verhängnis bleibt es. Das empfinden wir auch, wenn der Geist Gottes schon sein Werk an uns hat. Ja dann gerade, wenn wir uns bestreben, im neuen Leben zu wandeln, empfinden wir, solang wir leben, die Macht der Sünde, die in uns wohnt. Wir dürfen aber vorausgreifend jetzt schon sagen: Was ein schweres Verhängnis für uns ist, das ist auch ausgeglichen durch die Gnade. Weil das Menschengeschlecht diese Einheit darstellt, so ist auch wie durch eines Menschen Sünde die ganze Menschheit sündig geworden, wiederum durch eines Menschen Gehorsam das ganze Menschengeschlecht versöhnt. Es sind viele in dem einen gerecht worden und jeder Mensch darf in Christo dem Versöhner seinen Bruder, seinen Vertreter, seinen Erlöser erkennen. Trotzdem erkennt auch der Christ die Erbsünde als Schuld an, ob auch nicht als seine persönliche Schuld, so doch als Gesamtschuld der Menschheit, wie das Paulus im Römerbrief darlegt. In Adam hat die ganze Menschheit gesündigt. Es ist schon der Zustand der Erbsünde, in dem wir geboren werden, ein Zustand, der Gott nicht gefallen kann; denn die Menschen sind heilig geschaffen. Es ist darum auch für die Erbsünde Vererbung nötig und nicht umsonst kommt es in jedem richtigen Sündenbekenntnis vor, daß wir in Sünden empfangen und geboren sind.

 Was schließt nun aber die Erbsünde in sich? Man kann kurz sagen: einen Affekt und einen Defekt. Es ist etwas nicht da, was da sein sollte und es ist etwas da, was nicht da sein sollte. Wir sehen, wie sich hier alles auf das Liebesband zwischen Gott und uns bezieht. Liebe zu Gott sollte in unserem Herzen sein; sie ist nicht in uns, statt dessen die Liebe zur Kreatur.