Seite:Wienhausen - Ein Klostermuseum in der Heide.djvu/5

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Otto Vorländer: Ein Klostermuseum in der Heide (Wienhausen). In: Die Denkmalpflege. 4. Jg., S. 109–113

vom südlichen Flur aus gelangt. Hier sind eine größere Anzahl mehr oder weniger werthvoller Ueberbleibsel aus früherer Zeit wohl geordnet aufgestellt, darunter ein kleiner Altar, zwei lebensgroße geschnitzte und bemalte Gewandfiguren, mehrere Bilder in alten Rahmen, zwei gothische geschnitzte Truhen, Säulchen mit Malereien auf Goldgrund, ein großer aus Holz, gearbeiteter Sarkophag mit bemaltem Deckel usw. Am meisten fesselt ein nach zwölfeckigem Grundplan gebildetes, in Holz geschnitztes und mit Metallzuthaten versehenes Gehäuse aus frühgothischer Zeit, das ursprünglich wohl zu Beleuchtungszwecken gedient haben mag. Der dazu gehörige jetzt lose nebenan liegende broncene Deckel von etwa 60 cm Durchmesser mit durchbrochenen Ornamenten in wundervoller Zeichnung (Abb. 5) zeigt dieselbe straffe Stilisirung, die jene gemalten Ornamente in der Kirche auszeichnet. Es ist in Abb. 5 nur die eine Hälfte wiedergegeben. In den mit Butzenscheiben versehenen kleinen Fenstern des Capitelsaals sind noch mehrere Wappenscheiben eingelassen; sie zeigen die Wappen verschiedener Adelsgeschlechter; ihre Malereien auf Glas gehören, wie die meisten sogen. Schweizerscheiben, der Verfallzeit an. Zu beachten ist ferner die niedrige Holzdecke dieses Saals, die mit ihren schweren Längsbalken auf einem einzigen Unterzuge und einer einzigen Stütze in der Mitte ruht. Alle Bohlen und Verschalungsbretter tragen ornamentale Malereien, leicht und flott aus der Hand gemalte Rankenzüge im Charakter der Spätgothik. Das Weinrankenmotiv herrscht vor. Die Balken zeigen spätgothische Laubstäbe.[1]

Zum Schluß erwähnen wir noch die Ausstattung des Getäfels einer Zelle, wohin man auf einem langen, mit zahlreichen schweren aber schmucklosen Truhen besetzten Flur gelangt, mit gedruckten Intarsien (Holzschnitt-Abdrucken auf Papier), ganz ähnlich der eigenthümlichen Decoration in der Stanzer Stube des Schweizer National-Museums in Zürich. In der Allerheiligen Capelle endlich sind noch ziemlich erhaltene Frescomalereien, die hoffentlich auch noch in dem Borrmannschen Werke Aufnahme finden werden. Sie stellen auf den vier Kappen des Gewölbes den segnenden Christus sowie je drei Engel mit Schriftrollen dar und sind nicht restaurirt. In den Fenstern alte Glasgemälde mit der Verkündigung, Auferstehung und dem Erzengel Michael. Eine genaue Beschreibung der Gebäude und der Höfe gibt Mithoff in den oben erwähnten Werken.

Wir können diese Betrachtung nicht schließen, ohne des freundlichen Entgegenkommens auch der jetzigen Klosterinsassen und der gütigen Mittheilung verschiedener hier benutzter Quellen durch die jetzige Frau Aebtissin dankbar zu gedenken. Vor allem aber sei an dieser Stelle der aufrichtigsten Verehrung und Dankbarkeit Ausdruck gegeben, die wir und mit uns wohl alle hier einmal eingetretenen Freunde mittelalterlicher Kunst im Andenken an Fräulein Danckwerts empfinden, an jene alte treue Hüterin dieser Schätze, die am Abend des letzten Osterfestes im Alter von 91 Jahren ihre endlich müde gewordenen Augen schloß und in die Ewigkeit hinüberging, wohin ihr Herz schon manchmal voraufgeeilt war. Mit welch liebender Sorgfalt und mit wie hoher geistiger Regsamkeit diese alte Dame, trotz ihrer Jahre, dem ihr anvertraut gewesenen Amte sich widmete, und wie sie es so gern sich dabei zur Aufgabe machte, den studirenden Besuchern Annehmlichkeiten zu bereiten, das wird jedem unvergessen bleiben, dem diese ehrwürdige Erscheinung öfter begegnet ist. Besonders in der Klostertracht, die sie Sonntags, wie die anderen Damen in der Kirche, zu tragen pflegte, kamen diese Züge auch äußerlich zum Ausdruck, zu dem die Räume des Klosters nur den stimmungsvollsten Hintergrund abgeben konnten.

Barmen.

O. Vorlaender.     

  1. Vergl. Borrmann, Aufnahmen mittelalterl. Wand- und Deckenmalereien. 9. Liefg.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Vorländer: Ein Klostermuseum in der Heide (Wienhausen). In: Die Denkmalpflege. 4. Jg., S. 109–113. Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 1902, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wienhausen_-_Ein_Klostermuseum_in_der_Heide.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)