Seite:Wienhausen - Ein Klostermuseum in der Heide.djvu/2

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Otto Vorländer: Ein Klostermuseum in der Heide (Wienhausen). In: Die Denkmalpflege. 4. Jg., S. 109–113

ackerbautreibenden Bewohner, die mit dem Kloster auf gutem Fuße stehen und in mehr als einer Beziehung von diesem freundnachbarlichen Verhältniß Vortheil ziehen. Zu stillem Versenken in die Vergangenheit,

Abb. 3. Reste alter Glasmalereien im Kloster Wienhausen. – Aufgenommen von O. Vorlaender.

Abb. 4. Wandteppich im Kloster Wienhausen bei Celle. Geschichte von Tristan und Isolde. (Obere Ecke des Teppichs). – Aus: Lessing, Mittelalterliche Wandteppiche.

zu poetischem Genuß des Naturlebens, an Sommertagen oder im Herbst, wenn die Schleier des Moorrauches von Norden her über die noch blühende Heide ziehen und die Farben noch milder herabstimmen, ist wohl kaum ein Ort so geeignet, wie das lauschige Wienhausen, dessen Frauenkloster einst durch seine vielen Beziehungen zu der hohen hildesheimischen Geistlichkeit und den vornehmen Familien in Celle, Lüneburg, Braunschweig usw. bis zur Reformation den Mittelpunkt des religiösen Lebens in jener Gegend bildete. Alles geht in gedämpftem Ton. Der Wanderer hört kaum seinen eigenen Schritt, wenn er über die weichen sandigen Wege langsam dahinschreitet. Das Getriebe der Stadt und der Eisenbahn liegt fern ab, Großgewerbe ist nicht vorhanden. Nur eine Mühle läßt, vom sanftgleitenden Wasser getrieben, dicht am Klosterhof das melodische Rauschen ihrer Räder hören; oben auf den Schornsteinen klappert der Storch, der hier in den stehenden schilfbesäumten Gewässern reichliche Nahrung findet, und in dem herrlichen alten Park (dem früheren Jagdschloßgarten der Herzöge von Celle), der das Kloster von zwei Seiten umgibt, hört man das Zwitschern und Zirpen der Vöglein. Tönt noch am Sonntag Morgen der Kirchengesang zu einem solch schattigen, lauschig verborgenen Plätzchen herüber, das zugleich einen Durchblick in die träumerische Ferne gewährt, so ist die Stimmung vollendet, um nun auch tief und anheimelnd die Werke bildender Kunst auf sich wirken zu lassen, die hier Schutz und Dauer gefunden. Doch bevor wir uns diesen zuwenden, wollen wir die Geschichte des Klosters kurz an uns vorüberziehen lassen.

Der Name Wienhausen (ursprünglich Huginhusen, Hugwinhusen, später Wynhusen und Weinhausen geschrieben) kommt zuerst im Jahre 1022 in einer Stiftungsurkunde des Bischofs Bernward, bezüglich des Klosters St. Michaelis in Hildesheim, vor.[1] Im Jahre 1057 wird Wienhausen unter den publicis ecclesiarum parochiis genannt, war also damals schon Sitz eines Archidiakonus (s. Bettinghaus, a. a. O.). Das Landgut Wynhusen im Gaue Flutwide hat ehedem zum Kloster Fulda gehört – „in comitato videlivet Brunonis comitis et in pago Flotwida situm“ – (Urk. d. K. Heinr. III. v. 2. März 1052).[2] Es wurde 1052 von Heinrich III. eingetauscht und dem hildesheimschen Bischof Azelin geschenkt.[3] Man nimmt an, daß schon in vorchristlicher Zeit hier eine Opfer- und Dingstätte gewesen sei. Die Herzogin Agnes, zweite Gemahlin von Heinrich dem Jüngeren, † 1227 (Herzog zu Sachsen und Pfalzgraf am Rhein, Sohn Heinrich des Löwen) und Tochter des Markgrafen von Meißen und Landsberg, gründete mit Genehmigung des hildesheimischen Bischofs Konrad II. i. J. 1233 das Kloster Wienhausen für die heiligen Jungfrauen vom Cistercienser-Orden. Für die Annahme, daß Agnes das Kloster zuerst (schon um 1220) in Nienhagen a. d. Fuhse (unweit Celle) gegründet und dann der dortigen ungesunden Verhältnisse wegen nach Wienhausen


  1. Vergl. Bettinghaus: Zur Heimathskunde des Lüneburger Landes I. Theil. S. 14. Verlag von Stroeher, Celle, 1897. – H. W. H. Mithoff: Kunstdenkmale u. Alterthümer im Hannoverschen. Hann. 1877. 4. Bd. S. 273.
  2. Vergl. Böttger: Diöcesan- u. Gaugrenzen. (Hann. 1874.) II. Abthg. S. 333, 336, – (de banno Winhusen) 337 u. 338 – und Kayser „Die reform. Kirchenvisitationen in den welfischen Landen (1542-44)“. III. Th. S. 459. - Zeitschr. des hist. Ver. f. Niedersachsen. Jahrg. 1863. S. 1-134. – Böttger: Brunonen 198-220.
  3. Vergl. Origin. im Kgl. Staatsarchiv v. Hann. s. R. – Domstift Nr. 19. Gedr. bei S. Stumpf (Originibus Guelf.) IV. 421. – Steindorff, Jahrb. d. D. Reichs m. Heinr. III. Bd. II. S. 167. – Mithoff, a. a. O. S. 73. – Lüntzel, Die ältere Diöcese Hildesheim, S. 84, 119, 125, 177 u. ff.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Vorländer: Ein Klostermuseum in der Heide (Wienhausen). In: Die Denkmalpflege. 4. Jg., S. 109–113. Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 1902, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wienhausen_-_Ein_Klostermuseum_in_der_Heide.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)