William Shakespeare: Was ihr wollt. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII. | |
|
Olivia.
Wie anmuthig selbst Verachtung und Zorn auf seinen
schönen Lippen sizt.[1] Mördrische Schuld verräth sich
nicht schneller, als Liebe die sich verbergen will: Die Nacht
der Liebe ist Mittag. Cäsario, bey den Rosen des Frühlings,
bey meiner jungfräulichen Ehre und Treue, und
bey allem in der Welt, ich liebe dich so sehr, daß, troz
allem deinem spröden Wesen, weder Wiz noch Vernunft
meine Leidenschaft verbergen kan. Erzwinge dir daher, daß
ich dir mein Herz selbst antrage, keinen Grund es zu verschmähen;
denke lieber so, (du wirst so richtiger denken)
gesuchte Liebe ist gut; aber ungesucht geschenkt, ist sie noch besser.
Viola.
Ich schwöre bey meiner Unschuld und Jugend, ich habe
Ein Herz, Einen Busen, und Eine Treue, und diese hat
kein Weibsbild; noch wird jemals Eine Meisterin davon
seyn als ich selbst. Und hiemit, adieu, Gnädiges Fräulein;
niemals werd’ ich mich wieder gebrauchen lassen,
euch meines Herrn Thränen vorzuweinen.
Olivia.
Komm nichts desto minder wieder; vielleicht mag es
dir endlich gelingen, dieses Herz, das izt seine Liebe verabscheut,
zu einer zärtlichern Gesinnung zu bewegen.
- ↑ Von hier an bis zu Ende dieser Scene, ist im Original alles in Reimen.
William Shakespeare: Was ihr wollt. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.. Orell, Geßner & Comp., Zürich 1766, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wieland_Shakespear_Theatralische_Werke_VII.djvu/459&oldid=- (Version vom 1.8.2018)