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William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.

seine Lilien in die Luft zerstiebte, und so schnell und gewaltsam wie der Teufel, seinen Bruder unmittelbar an seiner Seite wegrafte; und kan er zornig seyn? So muß etwas wichtiges daran Ursache seyn; ich will gehn und ihn aufsuchen; in der That, das bedeutet was, wenn er zornig ist.

[Er geht ab.] 


Zwölfte Scene.
Desdemona, Aemilia und Cassio bleiben.

Desdemona.

Ich bitte dich, thu das – – Ganz gewiß muß etwas das den Staat betrift, entweder von Venedig, oder irgend ein unausgebrütetes Complot hier in Cypern, wovon er die Entdekung gemacht hat, seinen sonst immer heitern Geist verfinstert haben; und in solchen Fällen ist es die Art der Menschen, daß sie ihren Unmuth an geringern Dingen auslassen, wenn gleich grosse ihr Gegenstand sind. Es ist nicht anders. Es darf uns nur ein Finger weh thun, so verbreitet sich auch über unsre übrigen gesunden Gliedmassen ein Gefühl von Schmerz. Nein, wir müssen denken, daß unsre Männer keine Götter sind; wir können nicht von ihnen fordern, daß sie immer so zärtlich mit uns umgehen, als sie vor der Hochzeit thun. Schilt mich nur recht sehr aus, Aemilia; ich unartiges Ding, ich war schon im Begriff seiner unfreundlichkeit in meinem Herzen den Proceß

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William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.. Orell, Geßner & Comp., Zürich 1766, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wieland_Shakespear_Theatralische_Werke_VII.djvu/311&oldid=- (Version vom 1.8.2018)