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William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.

die Vergehungen meines Blutes bekenne, dieser ehrwürdigen Versammlung anzeigen, wie ich das Herz der schönen Desdemona gewonnen habe.

Herzog.

Redet, Othello.

Othello.

Ihr Vater liebte mich, lud mich oft ein, fragte mich immer nach der Geschichte meines Lebens, von Jahr zu Jahr, und ließ mich alle Schlachten, Belagerungen und Abentheuer, durch die ich passiert bin, erzählen. Das that ich nun, und durchlief mein ganzes Leben, von meinen kindischen Tagen an bis auf den nemlichen Augenblik, worinn er mich erzählen hieß: Und da sprach ich ihm also von den verschiedenen seltsamen Glüks-Wechseln, die ich erfahren, von hunderterley tragischen und herzbrechenden Unfällen, die mir zu Wasser und Land aufgestossen, und wie oft ich kaum noch auf der Breite eines Haars dem eindringenden Tod entgangen; und wie ich in die Hände grausamer Feinde gefallen, und zum Sclaven verkauft worden; und wie ich wieder in Freyheit gekommen, und dann die ganze Geschichte meiner irrenden Ritterschaft – – als von ungeheuern Grotten, und unterirdischen Gewölben, einöden Inseln, Steinbrüchen, Felsen und Gebürgen, die mit dem Kopf am Himmel anstossen, und von Cannibalen die einander aufessen, und von Anthropophagen, und von Leuten, die die Köpfe unter den Schultern tragen, – – und was der Dinge mehr war, womit ich ihn zu unterhalten

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William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.. Orell, Geßner & Comp., Zürich 1766, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wieland_Shakespear_Theatralische_Werke_VII.djvu/206&oldid=- (Version vom 1.8.2018)