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William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.

thun. Wir können nicht alle Befehlhaber seyn, und nicht alle Befehlhaber können getreue Diener haben. Ihr werdet in der Welt manchen Dienst-ergebenen, knie-biegenden Schurken sehen, der unter einer vieljährigen treu-eyfrigen Dienstbarkeit endlich so grau wird wie seines Herrn Esel, ohne etwas anders davon zu haben, als daß er gefüttert, und wenn er alt ist gar abgedankt wird? Peitscht mir solche gutherzige Schurken – – Dagegen giebt es andre, die zwar ihr Gesicht meisterlich in pflichtschuldige Falten zu legen wissen, aber ihr Herz hingegen vor aller fremden Zuneigung rein bewahren; die ihren Herren nichts als den äusserlichen Schein der Ergebenheit und eines erdichteten Eifers zeigen, aber eben dadurch ihre Sachen am besten machen, und wenn sie ihre Pfeiffen geschnitten haben, davon gehen, und ihre eigne Herren sind. Das sind noch Leute die einigen Verstand haben, und ich habe die Ehre einer von ihnen zu seyn. Es ist so gewiß als ihr Rodrigo seyd; wär’ ich der Mohr, so möcht ich nicht Jago seyn: izt dien ich, das wissen die Götter! bloß um mir selbst zu dienen, und nicht aus Ergebenheit und Liebe – – ich stelle mich zwar so, aber das hat seine Absichten – – denn wahrhaftig, wenn mein Gesicht, und meine äusserlichen Handlungen die wahre innerliche Gestalt meines Herzens zeigten, so würde mein Herz in kurzem den Krähen zum Futter dienen – – Mein guter Freund, ich bin nicht, was ich scheine.

Rodrigo.

Was für ein Glük macht der dik-maulichte Kerl, wenn er sie so davon tragen kan!

Empfohlene Zitierweise:
William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.. Orell, Geßner & Comp., Zürich 1766, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wieland_Shakespear_Theatralische_Werke_VII.djvu/182&oldid=- (Version vom 1.8.2018)