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Walther Kabel: Wie ein König neue Moden bekämpfte. In: Das Buch für Alle, 49. Jahrgang, Heft 1, S. 22–23

Wie ein König neue Moden bekämpfte. – Friedrich Wilhelm I. von Preußen war von fast übertriebener Sparsamkeit und daher allen neuen Moden, besonders aber deren Auswüchsen, so abhold, daß er bisweilen zu den stärksten Mitteln griff, um jene zu bekämpfen.

Im Winter des Jahres 1720 sollte in Potsdam eine große Truppenparade abgehalten werden. Schon vorher erfuhr der König nun, daß der französische Gesandte Graf Rothenburg hierzu in einer neuen Tracht mit einem Rock mit bis auf die Erde reichenden Schößen und einer Riesenperücke, auf der ein kleiner Dreimaster balancierte, erscheinen wollte. Da Friedrich Wilhelm nun fürchtete, daß diese neueste Pariser Modenarrheit auch von seinem Hofe nachgeahmt werden könnte, traf er ganz insgeheim seine Gegenmaßregeln.

Am Tage der Parade fand sich Graf Rothenburg auch wirklich in dem lächerlichen Kostüm ein und stellte sich in seiner anmaßenden Weise dicht hinter den Monarchen in die vorderste Reihe der Bevollmächtigten der anderen Staaten. Aber der König tat zunächst, als ob er den aufgeputzten Franzosen, dessen Ahnen gute Deutsche gewesen waren, gar nicht bemerkte. Dann gab er das Zeichen zum Anfang der Parade. Merkwürdigerweise begann aber die Musik nicht einen Marsch, sondern einen damals weit und breit bekannten Gassenhauer zu spielen, unter dessen Klängen sich eine wunderbar aufgeputzte Prozession näherte. Voran schritt ein Trompeter, der unaufhörlich Signale blies. Dann folgten hintereinander in Abständen von fünf Schritt zwölf Mann der Riesengarde, und zwar die allerlängsten der „langen Kerls“. Kostümiert waren diese folgendermaßen: Auf dem Kopf hatten sie Perücken aus weißer Wolle, deren Locken fast bis an die Knie hinabgingen. Oben auf diesen Riesenperücken, die ihre Träger wie ein Mantel umgaben, thronte ein winziger roter Dreimaster. Die Röcke wieder waren hellblau und die Schöße so lang, daß sie gut ein Meter auf dem Boden nachschleppten. Die engen Kniehosen von roter Farbe endigten in blau-weiß gestreiften Strümpfen. Die Schuhe waren dazu wieder hellgrün und hatten derart hohe Absätze, daß die Leute wie auf Stelzen gingen.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Wie ein König neue Moden bekämpfte. In: Das Buch für Alle, 49. Jahrgang, Heft 1, S. 22–23. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1914, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_ein_K%C3%B6nig_neue_Moden_bek%C3%A4mpfte.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)