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kann uns meines Erachtens wieder von dem ungesunden „Zug der Zeit“, der Tanz- und Vergnügungssucht, befreien.

Nach der Rückkehr der Truppen aus Feld und Etappe Ende 1918 war es in gewisser Weise verständlich, daß diese in jeder Beziehung „ausgehungerten“ Feldgrauen nun auch wieder „leben“ wollten. Da setzte der große „Amüsiertaumel“ ein. Jetzt aber, zwei Jahre später, sollte das deutsche Volk seinen sittlichen Ernst längst wiedergefunden haben! Sollte! Leider sind wir davon noch immer weit entfernt. Ob Großstadt oder Kleinstadt, ob Berlin oder irgend ein Dorf: ohne Tanz, mindestens zweimal in der Woche, geht es nicht mehr! Jeder will sich jetzt noch immer „ausleben“ – jeder! Es gibt wenige Ausnahmen hiervon. Sogar in Kreisen, die sonst die Biederkeit und Ehrbarkeit selbst waren – Handwerker, kleine Kaufleute, Beamte und Arbeiterfamilien –, glaubt die Jugend ein Recht zu haben, sich - auszutoben. Noch immer! – Wie verderblich die Einflüsse dieser übermäßigen Vergnügungssucht sind, braucht nicht betont zu werden. Sparen ist für sehr viele ein Fremdwort geworden; Pflichttreue desgleichen. Wer nur daran denkt, daß er abends dies und das „vorhat“, wer seine größte Sorge die sein läßt, ja nicht etwa einen Abend daheim im Familienkreise zu „verstumpfsinnen“, wer im Elternhause nicht mehr die Stätte sieht, wo es schließlich doch am behaglichsten ist, der (oder „die“) wird seelisch immer mehr verflachen, wird schließlich an harmlosem stillen Zeitvertreib innerhalb der Familie keinerlei Reiz mehr finden und ist damit für die Gründung eines eigenen Hausstandes so gut wie verloren.

„Arbeitet – arbeitet – arbeitet!“ Das ist das eine Rezept nach dem wir innerlich und äußerlich als Volk wieder gesunden sollen. Das zweite Rezept aber lautet: Deutsche Jugend, lerne wieder, Dich daheim wohl zu fühlen!

Ihr Mädchen, Ihr jungen Leute! Wie sollen wohl aus Euch später ernstgerichtete, strebsame Ehepaare werden, wenn Ihr eins ganz auf den Kehrichthaufen

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Wie benehme ich mich?. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_benehme_ich_mich.pdf/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)