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uns, wir möchten Dich unserem Verkehrskreis einreihen.“ Wenn Meiers ihm nun sympathisch sind, wir er antworten: „Sehr liebenswürdig. Ich werde mir gestatten, Ihnen meine Aufwartung zu machen.“ – Sind – sie ihm aber unsympathisch, so wird er eine Ausrede gebrauchen: „Sehr liebenswürdig. Ich hoffe daß ich trotz meiner Überlastung mit Arbeit Zeit finden werden, gelegentlich bei Ihnen vorzusprechen.“ – Dann wird Meier wissen, daß Müller „abwinkt“.

Winkt er nicht ab, so muß er seine Antrittsvisite bei Meiers innerhalb einer Woche erledigen, wirft sich also eines Tages, entweder mittags zwischen 12 und 2 Uhr oder nachmittags zwischen 5 und 6, in Besuchstoilette (Gehrock, Zylinder, Damen Ausgehanzug, vergl. „Kleidung“), steckt zwei Visitenkarten zu sich, auf denen seine Adresse nicht fehlen darf und die auch mit der Hand ausgeschrieben sein können, und geht zu Meiers, wo er dem Hausmädchen die Karten reicht: „Bitte melden Sie mich den Herrschaften.“

Das Mädchen erklärt: „Die Herrschaften sind nicht zu Hause“ oder führt Müller in den Salon (Herrenzimmer), nachdem er den Mantel abgelegt hat. Den Zylinder mit ins Zimmer zu nehmen, ist nicht mehr üblich. – Müller plaudert zehn Minuten mit Meiers und empfiehlt sich wieder. Vielleicht war auch nur die Hausfrau daheim und hat ihn angenommen.

Jetzt hat wieder Meier die Pflicht, Müller einen Gegenbesuch zu machen, falls dieser ihn nicht davon (was man besonders älteren Herren gegenüber stets tun sollte!) mit ein paar liebenswürdigen Worten befreit hat. – Zwischen Ehepaaren spielt sich die Antrittsvisite entsprechend ab, nur gibt es hier keine derartige Befreiung von der Gegenvisite.

Ältere Herren dürfen jüngeren unverheirateten im übrigen den ersten Besuch auch in der Art erwidern, daß sie ihnen ihre Visitenkarte durch die Post im Umschlag ohne weitere Aufschrift zusenden. Besonders geschieht dies jüngeren Herren gegenüber, die Untergebene von ihnen sind. –

Unter Anstandsbesuchen versteht man wieder solche,

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Wie benehme ich mich?. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_benehme_ich_mich.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)